Im nächsten Leben, das habe ich fix beschlossen, werde ich Influencerin. Bis dahin werde ich auch kapiert haben, wie dieses Business funktioniert: haufenweise Likes und Kohle, Tagesfreizeit und eine Community aus Followern, früher sagte man Fans, die wohlwollend auf ihr Handy starren, wenn ich dort aufzutauchen gedenke.

Weil ich als Influencerin total authentisch bin und meine Follower das mit Likes und euphorischen Kommentaren würdigen („Du bist so DU!“), zeige ich mich mit großer Lässigkeit genau so, wie ich bin. Fältchen, Falten, Cellulite, alles „Tools“, um noch mehr Follower zu generieren. No Filter! Die sind in meinem nächsten Leben total „sus“ (neusprachlich für suspekt). Meine Diggas (Freundinnen) wollen keine glatt gebürsteten Bilder schauen. Echte Menschen sind Siu(uuu) = unfassbar geil. Ja, so könnte es gehen im nächsten Leben, wenn ich kein Digital-Idiot mehr bin.

Im jetzigen Leben steigt mein Blutdruck, wenn ich online meine Bankgeschäfte erledige, Passwörter und Tans eingeben muss, dreimal das falsche Passwort eintippe und danach „wenden Sie sich an die Hotline oder Ihren Bankberater“ lesen muss. Om. Ich hasse Hotlines. Ich würde gerne eine Hotline-Selbsthilfegruppe gründen, allerdings müsste man die digital aufsetzen, und ich müsste gewiss eine Hotline bemühen, weil ich eines der Passwörter falsch eingegeben habe.

Vorschlag: Wenn Sie die Güte hätten, sich kurz Zeit zu nehmen, könnten wir eine analoge Hotline-Hassminute einlegen. Sind Sie dabei? Danke!

Bitte locker hinstellen, Augen schließen und an ihr schlimmstes Hotline-Erlebnis denken. Ich sehe förmlich, wie sich eine Wolke aus beeindruckender schwarzer Energie bildet, eine Superkraft, die alle elenden Hotlines dieser Welt zerstört. Zumindest die blöden, bei denen man Ewigkeiten in der Warteschlange hängt und wo einem nicht geholfen wird, weil man selbst wiederum zu blöd ist, den Computerstimmenanweisungen zu folgen.

Mir ist ja bis heute ein Rätsel, wie E-Mails oder SMS oder streng genommen auch Telefonate funktionieren. Schallwellen? Clouds? Jedenfalls muss kürzlich am Himmel eine Art Chaos gewesen sein, in meinem technischen Unverständnis stelle ich mir das so vor: Millionen von Nachrichten kreisen suchend herum, krachen zusammen, stürzen ab, kriechen in richtige oder falsche Leitungen, und das, was dabei herauskommt, liest sich dann so wie auf meinem iPhone: „Mein Wuschel! Ich liebe dich über alles, das werden unsere letzten getrennten Tage und Nächte. Versprochen, deine Schmatzi.“ Definitiv war nicht ich gemeint. Kenne keine Schmatzi. Mein Mann auch nicht. Natürlich prüfte ich das, indem ich ihn mitten in der Nacht wachrüttelte und „Hallo Wuschel, hier ist Schmatzi“ brüllte, um seine Reaktion zu testen. Er fragte mich, ob ich besoffen wäre, woraus ich schloss, dass er nicht Wuschel ist und keine Schmatzi kennt.

Ich schickte also eine SMS mit dem sachlichen Wortlaut: „Achtung, Ihre SMS wurde fehlgeleitet.“ Darauf erfolgte acht Stunden keine Reaktion, anscheinend war Schmatzi peinlich berührt. Und dann kam die Antwort: „Mischen Sie sich gefälligst nicht ein.“

Im nächsten Leben werde ich anders reagieren. Fehlgeleitete Nachrichten von Schmatzis oder Wuschels kommentiere ich mit: „Geben Sie ein zwölfstelliges Passwort aus Buchstaben, Nummern und mindestens zwei Sonderzeichen ein, bestätigen Sie dieses via E-Mail, wir senden Ihnen einen Tan zu, den Sie bestätigen und via E-Mail an uns senden. Bei Problemen wenden Sie sich an die nächstgelegene Hotline.“