Ich versuche, einen Baumarkt-Mitarbeiter zu er-haschen. Nicht zu verwechseln mit ver-naschen.

Ich bin ja meilenweit davon entfernt zu sagen, früher war manches besser. Ich bin ein Kind des Fortschritts und der Visionen und glaube an die Zukunft. Sogar an ChatGPT. Aber eine Spur entspannter war es früher schon. Ich ging etwa gerne auf die Bank. Nette Kollegen hinter dem Schalter kümmerten sich um alle Anliegen, wenn man ein Plus am Konto hatte, wurde auch Kaffee gereicht.

UM BANKGESCHÄFTE zu erledigen, brauche ich mittlerweile nur noch gute Nerven. Und zwei Handys. Wegen TANs und Secure-Passwörtern und Codes und so. Geht sich auf einem Gerät nicht mehr aus. Weil Onlinebanking Zeit braucht, erledige ich das Finanzzeug gern am Wochenende. Dann, wenn andere Menschen, die digital begabter sind, ihren Hobbys nachgehen.

APROPOS HOBBY. Heißt das eigentlich noch so? Als es noch keine Smartphones gab und Menschen, die seit 15 Minuten überfällig waren, nicht anriefen, um zu sagen, sie brauchen nur noch fünf Minuten – in dieser Zeit waren Hobbys in Mode. Praktisch jeder hatte eines.

IN ZEITUNGS-FRAGEBÖGEN wurden Prominente nach ihren Hobbys gefragt und gaben originelle Auskünfte. Wenn ich von den beschwingten Hobbys der anderen las, wurde mir ganz flau, weil ich außer öden Standards wie „Lesen, Kino, Schlafen“ nichts vorweisen konnte. Derartiges auf einem Fragebogen anzugeben, wäre peinlich, deshalb gaben Prominente zumindest „Karaoke singen“ und „Fallschirm springen“ an. Der Schauspieler Helmut Berger gab in einem „Zeit“-Fragebogen einmal „Partnertausch“ an. Das fand ich origineller als Karaoke und ich nahm mir vor, Helmut Berger, sollte ich ihn einmal treffen, ausführlicher zu seinem Hobby zu befragen. Die gute Journalistin sucht ja immer nach der Geschichte hinter der Geschichte. Also früher war das so.

LEUTE, DIE VIEL PLATZ hatten, richteten sich zu Hause sogar einen Hobbykeller ein. Was immer sie dort taten, in meiner Vorstellung hatte das mehr mit Helmut Berger als mit Laubsägearbeit zu tun. Ich kann mich aber auch irren.

Derzeit hat niemand mehr ein Hobby. Fragen Sie doch irgendwen nach ihrem*seinem Hobby: Sie, er und es wird die Augen rollen und sich denken, mit Ihnen stimmt was nicht. Natürlich könnten Sie jetzt eins draufsetzen und sagen: „Also MIR sind meine Hobbys wichtig! Bauchtanz, Chorsingen auf Polnisch. Neuerdings gern Partnertausch. Lässt sich auch alles kombinieren.“

Probieren Sie das bitte aus und texten Sie mir, wie’s war!

BEVOR SIE JETZT EINEN fatalen Eindruck von mir bekommen, wechseln wir aber in den nächsten Baumarkt. Ich suche einen magnetischen Insektenschutz in einem Format, das zugeschnitten werden muss. Baumärkte haben lange Gänge, viele Regale und wenig Fachpersonal, an das man sich wenden kann, wenn man keine Ahnung von magnetischem Insektenschutz hat.

Man muss sich das ähnlich vorstellen wie in einem Netflix-Thriller: Nach langem Irren im Labyrinth taucht am Ende des Ganges schemenhaft ein Baumarkt-Mitarbeiter auf. Man öffnet die Lippen („Verzeihung, wo ist …?“) Zack – Phantom verschwunden. Übrig bleibt ein erstickter Schrei und der unbändige Drang, Insekten zu morden. Und einen Baumarkt-Mitarbeiter zu erhaschen. Er-haschen! Bitte, nicht verwechseln mitdem fast identen Wort ver-naschen. Das wäre echt das Letzte, was ich im Baumarkt wollen würde, während daheim die Insektenplage tobt. Auf einem Fragebogen würde ich als aktuelle Hobbys angeben: 1.) Insekten meucheln. 2.) Phantome jagen.

Herzlich, Ihre