Es ist mir jetzt ein bisschen peinlich zuzugeben, dass ich unlängst an einem Online-Gewinnspiel teilgenommen habe. Hat sich zufällig ergeben, während einer Zoom-Besprechung. Ich weiß ja nicht, ob Sie bei Zoom-Meetings immer hundertprozentig bei der Sache sind, wenn ja: Applaus, Applaus! Ich finde es ab und an wichtig, während des – gähn – Gelabers bestimmter Leute ein wenig auf dem Smartphone herumzuchecken. 

Geht unauffällig. Runterbeugen, Hand vor die Augen stützen, so tun, als ob man sich Notizen macht. In Wahrheit: tipptipp. Instagram checken und plopp! Da poppt eine Traumreise in die Südsee auf.

Also ich glaube, es ist die Südsee. Bora Bora, geil! Es ist nicht unspannend, während einer Zoom-Sitzung heimlich in die engere Auswahl für eine Traumreise zu kommen. Schnell noch die Telefonnummer eingeben, tipptipp. Ich verabschiede mich souverän aus der Runde mit dem satten Gefühl, etwas Wichtiges erledigt zu haben.

Drei Stunden später. Ringring. Auf meinem Display flammt eine Nummer mit deutscher Vorwahl auf. Bora Bora, wir kommen! „Sie haben drei Packungen Hundefutter gewonnen“, bellt eine fröhliche Stimme ins Telefon. „Fein“, sage ich und erwähne, dass es ein Glück sei, dass ich tatsächlich einen Hund habe. Eigentlich sogar zwei. 

Die Überbringerin des Traumgewinns ist entzückt. Von Bora Bora erwähnt sie nichts, offensichtlich handelt es sich um die Mitarbeiterin eines Callcenters, das im Auftrag eines Hundefutter-Unternehmens agiert. „Wie heißen denn die Hunde?“, fragt sie. Max und Mia.

Ich habe erst einmal im Leben was gewonnen. Bei der Halloween-Tombolain der Schule meiner Kinder, einen Korb voll Spinnen aus schwarzem Zucker-Gelee. Als nicht gewinnverwöhnter Mensch jubiliert man doppelt, wenn man, naja, Hundefutter gewinnt. Und zufällig tatsächlich Hunde hat, was für ein Glück. Hätte ich nur Kinder und keine Hunde, wäre das jetzt blöd. Hätte ich nur Hunde und keine Kinder, wären die Gelee-Spinnen fatal gewesen. Der liebe Herrgott denkt sich also etwas bei meinen schönen Gewinnen.

Alsbald traf der Gewinn ein. Drei kleine Päckchen mit je einem Leckerli. Am nächsten Tag meldete sich meine vertraute Hotline-Stimme. „Wie geht es Maxi und Mia? Haben die Leckerlis geschmeckt?“ „Den Hunden geht’s gut, aber …“ „Möchten Sie eine 25-Kilo-Packung des Futters bestellen? Weniger liefern wir leider nicht aus.“ Ich verneine. Die Dame erwähnt, dass sie sich wieder meldet. Wenn es mal passt.

Sie meldet sich am nächsten Tag. Und am übernächsten. Ich hebe nicht ab. Ich kenne die Nummer auswendig. Irgendwann ändert sich die Nummer, ich hebe ab. „Wie geht es Maxi und Mia?“ Ich lege auf. Sperre die Nummer. Die Nummer wird geändert. Die Nummer verfolgt mich. Täglich grüßt das Murmeltier.

Ich werde nie wieder unaufmerksam in einer Besprechung sitzen. Nie wieder heimlich am Handy tipptipp machen, während weltbewegende Themen meine Aufmerksamkeit verlangen. Hätte ich wie seinerzeit in der Schule ein Mitteilungsheft, würde ich freiweillig fünfzigmal reinschreiben: „Du sollst nicht auf idiotische Gewinnspiele reinfallen, nur weil dir grad fad im Kopf ist.“

Täglich kommt der Anruf, gnadenlos. Die Nummern variieren. Ich überlege, Maxi und Mia abheben zu lassen. Sollen die sich das mit dem Hundefutter selbst ausmachen. Leise surrt die Hotline-Nummer, gerade eben wieder. Hebe nicht ab. Muss irgendwann bestellen. Will nicht bestellen. Überlege, das Telefon abzumelden. Dann müssten sie mir Rauchzeichen schicken.

Sie werden mich kriegen, igendwann. Morgen rufen sie wieder an. Wenn ich morgen 100 Kilo Hundefutter bestelle, lassen sie mich eine Zeit lang in Ruhe. Oder 1.000 Kilo. Oder gleich 10.000, dann habe ich zehn Jahre lang Ruhe. Brauchen Sie zufällig Hundefutter?

Herzlich, Ihre