Sophie Lauenroth ist Psychologin und begeistert als psychologin_sophie auf TikTok und Instagram eine halbe Million Follower. Mit ihrer Community teilt sie auch eigene Therapie-Erfahrungen. Am 1. März kommt sie zum look!-Women-Power-Day nach Wien.
look!: Liebe Sophie, du lässt deine große Community auf Social Media an sehr persönlichen Erlebnissen teilhaben, wie etwa dass du früher gemobbt wurdest oder dass du dich aus einer toxischen Beziehung befreit hast. Wie hast du diese Traumata persönlich überwunden? Kann man das oder Ähnliches überhaupt zur Gänze überwinden?
Ich merke in meiner Therapie, wie mich das Mobbing aus der Schule oder meine toxische Beziehung sehr geprägt haben, aber nicht nur im negativen Sinne. Ich bin auch an diesen Dingen gewachsen, denn ich bin fest der Überzeugung, dass wir auch aus schrecklichen Erfahrungen ein Learning für uns selbst ziehen und diese uns zeigen können, was wir noch nicht verarbeitet haben und welchen Weg wir gehen sollten, um weiterzuwachsen und glücklich zu werden. Es gibt in diesem Sinne kein Ende. Das Leben ist eine ständige Entwicklung und wir bleiben nie stehen.
Warum hast du Social Media überhaupt zu deiner „Praxis“ gemacht? Hattest du nie die Befürchtung, als SM-Psychologin weniger ernst genommen zu werden?
Ich hatte die Befürchtung, dass ich aufgrund meines Aussehens nicht ernst genommen werde! Und das war am Anfang auch so. Aber ich habe gelernt, mich von solchen Kommentaren abzugrenzen, denn sie sagen nichts über mich und meine Kenntnisse und Fähigkeiten aus. Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich das, was ich als Hobby begonnen habe, nun meinen Beruf nennen kann.
Welche Menschen sind deine Zielgruppe und was ist deine Message?
Meine Videos richten sich an alle. Es reicht also, einfach nur Mensch zu sein. Ich möchte zeigen, dass psychische Probleme nichts sind, wofür man sich schämen sollte. Wir können und dürfen alle offen damit umgehen und damit bewirken wir hoffentlich, dass wir irgendwann freundlicher und toleranter miteinander umgehen und Menschen nicht mehr in Schubladen stecken.
Warum hast du Psychologie studiert und was war der Auslöser, dass du anderen Menschen helfen willst?
Ich hatte Psychologie bereits als Unterrichtsfach in der Schule und fand es immer faszinierend. Ich wollte immer verstehen, warum Menschen so handeln, wie sie es tun, und dass uns alle gewisse Dinge verbinden. Ich denke, dass es in unserer Welt bereits viel zu viel Hass gibt, und wünsche mir sehr, dass wir alle freundlicher und verständnisvoller miteinander umgehen.
Viele Menschen sind frustriert durch Einsamkeit, Enttäuschung, Ärger. Wie kann man damit umgehen?
Für diese Art Gefühle eignet sich die Methode des Reparenting sehr gut. Darauf gehe ich auch in meinem Buch ein. Bei dieser Methode geht es darum, sich selbst der Elternteil zu sein, das man damals gebraucht hätte. Ganz nach dem Motto: „Ich kann mir nun selbst geben, was mir meine Eltern früher nicht geben konnten.“ Alle Gefühle, egal ob angenehm oder unangenehm, haben ihre Daseinsberechtigung und sollten gefühlt werden. Das heißt nicht, dass wir alle Gefühle und damit verbundene Gedanken immer als „die Realität“ oder „die Wahrheit“ sehen und gleich auf sie reagieren sollten, sondern dass wir sie zumindest wahrnehmen, zuordnen und fühlen. Nur wer fühlt, kann auch loslassen.
Wie kann man sich von Selbstzweifeln befreien?
Wir sollten im Hinterkopf behalten, dass gewisse Selbstzweifel normal sind und jeder davon mehr oder weniger betroffen ist. Genau so normal ist es, dass wir ab und zu Angst verspüren. Das ist ein Schutzmechanismus, der automatisch in uns wirkt und – wie der Name schon sagt – zu unserem Schutz ist. Starke Selbstzweifel deuten auf eine große Unsicherheit und falsche Glaubenssätze hin, die am besten in einer individuellen Therapie behandelt werden sollten.
Was empfiehlst du, um die eigene Vergangenheit zu verarbeiten?
Da gibt es zahlreiche Methoden. Ich erkläre z. B. in meinem Buch, wie die Arbeit mit dem inneren Kind funktioniert. Das ist eine Methode, die in den 80er-Jahren in Amerika entwickelt wurde und seitdem wundervolle Therapieergebnisse erzielen konnte. Ich zeige im Buch, wie man die Methode im Alltag anwenden kann, wie man Kontakt zu seinem inneren Kind aufnimmt und wie das helfen kann, sich selbst besser zu verstehen. Aber auch körperliche Arbeit ist sehr wichtig, um Blockaden zu lösen. Vor allem Betroffene von Traumata haben körperliche Beschwerden, die psychosomatisch erklärt werden können oder einfach Nachwirkungen des Traumas sind. Wirkungsvolle Körperansätze hierfür sind z. B. Yoga.
Wie kann man neues Vertrauen aufbauen?
Wichtig, um wieder neues Vertrauen aufzubauen, sind „korrigierende Erfahrungen“. Wenn jemand schlechte Erfahrungen mit Beziehungen gemacht hat und mittlerweile der Überzeugung ist, dass man niemandem trauen kann, dann kann sich diese Überzeugung nur nachhaltig auflösen, wenn derjenige es wagt, neue, korrigierende und demnach auch positive Erfahrungen mit Beziehungen zu machen. So geraten alte, schädliche Beziehungserfahrungen mehr und mehr in den Hintergrund und das Hirn kann neue Synapsen knüpfen und neue „Pfade“ legen, die eine Beziehung mit Liebe und nicht mit Schmerz verbinden.
Dein Buch heißt „Du darfst heilen“ – wie führst du die LeserInnen zu nachhaltiger Heilung?
Anhand meines Drei-Schritte-Programms „Verstehen – Verändern – Vertrauen“. Jede Heilung ist individuell, deshalb empfehle ich allen, die mit mentalen Problemen zu kämpfen haben, sich zusätzlich an einen Therapeuten zu wenden. Mein Buch soll kein Ersatz für eine individuelle Therapie sein, sondern eher als Ergänzung dienen.
Du bist Mutter eines kleinen Sohnes, was möchtest du ihm mitgeben?
Dass er so, wie er ist, genau richtig ist – mit all seinen Ecken und Kanten. Niemand muss perfekt sein. Niemand muss sich Liebe verdienen, jeder hat das Recht, geliebt zu werden, wie er ist. Und natürlich möchte ich ihm zeigen, dass wir jedem Menschen mit Offenheit begegnen sollten und bereit sind, anderen zu helfen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten.
DU DARFST HEILEN.
Der Bestseller von Sophie Lauenroth, Verlag Goldegg, Euro 23,–
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