Im April vor 21 Jahren führten Uschi Pöttler-Fellner und Doris Kiefhaber das erste Gespräch zum Thema Pink Ribbon. Aus einer Idee entstand – neben einer Lebensfreundschaft – eine Aktion, die heute Tausende Frauen in Österreich unterstützt. Der Talk.

DREAM-TEAM. Doris Kiefhaber und Uschi Pöttler-Fellner beim Pink-Ribbon-Brunch mit Patientinnen im Hotel Rosewood Vienna.
© Martha Gattringer

Doris Kiefhaber und Uschi Pöttler-Fellner im Interview

look!: Liebe Doris, du hast vor 20 Jahren in Österreich für Pink Ribbon die Initialzündung gesetzt, heute kann die Pink-Rib- bon-Aktion eine stolze Spendensumme von mehr als 9 Millionen Euro vorweisen. Wenn du 20 Jahre Revue passieren lässt: Was sind die Highlights, die dir einfallen?

Doris Kiefhaber: Ja, es ist wirklich unglaublich, was aus der Idee geworden ist. Einerseits ist es traurig, dass so viele Brustkrebspatientinnen Unterstützung brauchen. Aber ich bin unendlich dankbar, dass es uns aufgrund der großartigen Unterstützung von so vielen Menschen überhaupt möglich war, 90.000 Mal konkret zu helfen.

Es gab sehr viele Highlights in diesen 20 Jahren, alle sehr emotional. Den Moment, als wir die finanzielle Soforthilfe starteten und das erste Mal eine Patientin auch finanziell unterstützen konnten, werde ich nie vergessen. Ich erinnere mich auch oft an Nachrichten von Frauen, in denen sie uns für die Pink-Ribbon-Aktion danken, weil sie sonst auf die Mammografie vergessen hätten und der Tumor wahrscheinlich erst (zu) spät entdeckt worden wäre. Und ein ganz besonders berührender Moment war, als zum ersten Mal das Pink Ribbon an der Fassade des Österreichischen Parlaments angebracht wurde – als Zeichen der Solidarität mit Betroffenen und ihren Angehörigen. Es ist immer noch das einzige Parlament weltweit, das so ein starkes Zeichen setzt. Der wohl bewegendste Moment war, als Doris Bures am Welttag der metastasierten Brustkrebserkrankung 20 von dieser Diagnose betroffene Frauen ins Hohe Haus einlud und während einer Plenarsitzung explizit begrüßte und ALLE Abgeordneten aller Parteien minutenlang applaudierten. Ein seltenes, aber sehr berührendes Zeichen der Einigkeit.

Wofür wurde und wird das Spendengeld eingesetzt?

Der Krebshilfe-Vorstand hat Richtlinien für die finanzielle Soforthilfe verabschiedet, die beschreiben, in welchen Fällen wir krankheitsbezogene Ausgaben wie z. B. den Selbstbehalt von Perücken, Spitalsaufenthalt, Fahrtkosten zu den Therapien, Einkommensdifferenzen etc. finanziell unterstützen können. Voraussetzung ist u. a., dass die Patientin/der Patient durch die Erkrankung in finanzielle Not geraten ist.

TEAMWORK. Der erste Pink-Ribbon- Spendenscheck nach Uschi Pöttler-Fellners Gründung von „Woman“. Viele weitere folgten, insgesamt wurde bis heute eine Spendensumme von 9.330.612 Euro erzielt.

© Peter Hautzinger, Krebshilfe, Parlamentsdirektion, Ulkrike Wieser, Mike Ranz

Wie sehr belastet es dich, nahezu ständig auch mit dem Thema Verlust beschäftigt zu sein? Du baust ja sehr persönliche Beziehungen zu vielen PatientInnen auf …

Wir sind nicht nur mit dem Thema Verlust konfrontiert, sondern auch mit der Freude von vielen PatientInnen, dass sie es geschafft haben. Das sind wunderschöne Momente und ich bin sehr dankbar, wenn wir diese Freude teilen dürfen. Aber natürlich geht es leider nicht immer gut aus. Aufgrund unserer Erfahrung und medizinischer Befunde sehen wir es leider oft schon früh kommen, dass die Endlichkeit an die Tür klopft. Das ist sehr schwer und natürlich nimmt man das mit nach Hause. Es ist aber auch ein besonderes Privileg, gerade in diesen Situationen helfen zu dürfen, PatientInnen und Angehörige zu begleiten, sie zu informieren und da zu sein.

Das Thema Krebs ist auch in deiner eigenen Familie ein Thema, wie ich weiß …

In meiner Familie war die ersten Jahre meiner Tätigkeit Krebs kein Thema. Doch dann schlug es gleich mehrfach ein. Meine Cousine, die wie eine kleine Schwester für mich war, erkrankte an Krebs und starb mit nur 48 Jahren. Und auch mein Vater erkrankte und starb nur drei Wochen nach der Diagnose. Das alles innerhalb eines Jahres. Das war sehr hart und damals dachte ich auch daran, dass es „zu viel Krebs“ in meinem Leben ist und ich vielleicht die Kraft dafür nicht aufbringen kann. Aber ein Supervisionsgespräch mit einer Kollegin hat mir sehr geholfen. Deshalb werde ich auch nicht müde, an PatientInnen UND Angehörige zu appellieren, sich an uns zu wenden und sich unterstützen zu lassen.

Was genau macht denn die Österreichische Krebshilfe und wie können zum Beispiel auch Angehörige betreut werden?

Die KollegInnen in den 63 Krebshilfe-Beratungsstellen betreuen jährlich rund 30.000 KrebspatientInnen, egal welcher Krebsart, und Angehörige. Sie nehmen sich viel Zeit für die Gespräche, Ängste und Sorgen, hören zu und helfen ganz kon- kret. Das reicht von der psychoonkologischen Unterstützung (z. B. beim Schock über die Diagnose oder das Fortschreiten der Erkrankung, Trauer) bis zu „Wie sag ich es meinem Kind?“, Fragen zu Rehabilitation, Ernährung, Bewegung, medizinische Fragen und vielem mehr. Dieses Angebot unterscheidet uns sehr von vielen Krebshilfe-Organisationen in anderen Län- dern. Aus all diesen Gesprächen erkennen wir auch etwaige Missstände in der Versorgung. Daraus entstehen dann unsere Forderungen, die wir an die politisch Verantwortlichen herantragen und konsequent „dranbleiben“.

Was unterscheidet die Pink-Ribbon-Aktion heute von der „damaligen“, vor 20 Jahren?

Damals mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten, um KooperationspartnerInnen zu finden, die mit uns an einem Strang ziehen bzw. Firmen, die bereit waren, ein oder mehrere Produkte dem Pink Ribbon zu widmen. Ich habe jahrelang ca. 50 bis 70 Schreiben an unterschiedlichste Firmen gerichtet, mit der Einladung, mitzumachen. Oft habe ich nicht einmal eine Antwort erhalten. Umso dankbarer war und bin ich, dass es doch einige gegeben hat, die ich erreichen konnte und die bis heute mit an Bord sind. Mittlerweile treten viele Firmen und Private von selbst an uns heran und bieten ihre Unterstützung an. Das ist ein gewaltiger Erfolg, der mich sehr dankbar und demütig macht.

GEMEINSAM. Die Pink-Ribbon-Botschafterinnen Marika Lichter und Bettina Weniger-Assinger organisieren jährlich einen Brunch im Gourmet-Restaurant Hubert Wallner am Wörthersee.

© Peter Hautzinger, Krebshilfe, Parlamentsdirektion, Ulkrike Wieser, Mike Ranz

Warum ist das Thema Krebs immer noch ein Tabuthema?

Ich glaube, dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens sind laut unseren Umfragen rund 90 % der Bevölkerung mit Krebs konfrontiert, direkt als PatientIn oder als Angehörige. Krebs ist daher in fast jeder Familie „Thema“ und geht leider auch nicht immer gut aus. Zweitens trägt auch die Berichterstattung in den Medien und weltweit dazu bei. Es ist irgendwie „üblich“, dass meistens über jene Prominente berichtet wird, die „den Kampf verloren haben“. Ich würde mir wünschen, dass auch darüber berichtet wird, wenn Prominente wieder gesund sind. Aber das hängt natürlich auch davon ab, wie viele Personen sich überhaupt „outen“, wenn sie davon ausgehen, dass sie wieder gesund werden. In dem Punkt unterscheiden sich „Prominente“ und „Nicht-Prominente“ nicht. Viele befürchten, dass sie ihren Job verlieren oder keinen mehr bekommen, z. B. SchauspielerInnen, wenn durchsickert, dass sie Krebs haben. Ich denke, es wird noch ein bis zwei Generationen dauern, bis wir einen Punkt erreicht haben, an dem Krebs als chronische Erkrankung – so wie andere schwere Erkrankungen – enttabuisiert ist.

Wie kann man Betroffenen im Bekannten oder Familienkreis, aber auch den Angehörigen am besten helfen bzw. wie kann man unterstützen?

Das ist ein sehr wichtiges Thema, denn Angehörige sind keine Anhängsel, sondern in ihrer eigenen Betroffenheit zu sehen und auch zu würdigen. Sie erleben genauso eine Hochschaubahn an Gefühlen. Und die meisten WOLLEN helfen. Aber bitte beherzigen Sie als Angehörige ein paar Tipps: Überfrachten Sie PatientInnen nicht mit Ratschlägen oderTipps. Das ist zwar meist gut gemeint, verunsichert aber. Gehen Sie mit den Betroffenen respektvoll und nicht bevormundend um, d. h. bieten Sie Hilfe an, aber drängen Sie sich nicht auf. Und bedenken Sie, dass die typischen „Phrasen“ wie „Du musst positiv denken“ bei den meisten PatientInnen nicht gut ankommen und oft Unverständnis auslösen. Und ein ehrlich gemeinter Rat: Bitte überfordern Sie SICH nicht. Achten Sie auf Ihre Freiräume und holen Sie sich Hilfe, z. B. bei uns.

Gibt es Seminare, Workshops für Angehörige, um mit der Situation in der Familie besser umgehen zu können?

Es gibt immer wieder Krebshilfe-Angebote zu den verschiedensten Themen, auch für Angehörige. Am besten ist, sich auf der Website der Krebshilfe im Wohnsitz-Bundesland zu erkundigen (Kontaktübersicht unter www.krebshilfe.net) oder dem Krebshilfe-Landesverein auf Facebook zu folgen.

Was bedeutet der Brustkrebsmonat Oktober für dich persönlich? Außer sehr viel Arbeit …

Stress (lacht). Der Oktober ist zwar voll mit Terminen, aber die vielen Vorarbeiten und Vorbereitungen starten immer schon Anfang des Jahres. Ich versuche, den Oktober und jede Pink-Ribbon-Veranstaltung, jede Aktion im Oktober zu genießen und dafür zu nutzen, Kontakte fürs nächste Jahr zu knüpfen.

ZEICHEN DER SOLIDARITÄT. Seit 2011 wird jährlich zum Internationalen Brustkrebstag das Pink Ribbon am Parlament angebracht.

© Peter Hautzinger, Krebshilfe, Parlamentsdirektion, Ulkrike Wieser, Mike Ranz

Auf was blickst du besonders stolz zurück und welche Visionen hast du für die Zukunft?

Ich bin sehr dankbar für jedes Jahr, in dem wir wachsen konnten und die Aktion und damit unsere Botschaften und Appelle bekannter geworden sind. Meine Vision ist, die Aktion einmal nicht mehr zu brauchen, weil es ein geeignetes Mittel gibt, damit keine Frau (und kein Mann) an Brustkrebs erkrankt. Aber ich fürchte, das ist noch eine Illusion.

Wie schaltest du ab, wie entspannst du dich? Und wie schaffst du es für dich persönlich, keine Angst vor dem Thema Brustkrebs aufzubauen?

Wenn es nach meinem Mann geht, schalte ich nie ab (lacht). Ich fürchte, da hat er ein wenig recht. So ganz abschalten kann ich nur stundenweise, wenn ich im Garten arbeite oder handwerke. Das Handy ist aber schon immer in Griffweite. Aber es belastet mich nicht. Mich würde es viel mehr belasten, nicht erreichbar zu sein, wenn ich gebraucht werde. Ja, die Mammografie alle zwei Jahre ist ein Pflichttermin, und ich bin jedes Mal sehr angespannt. Aber es hilft ja nichts. Wenn es mich trifft, möchte ich mir nicht vorwerfen müssen, den Termin nicht wahrgenommen zu haben.

Liebe Uschi, ich hätte jetzt aber auch eine Frage an dich: Ohne dich wäre Pink Ribbon nie zu dem geworden, was es heute ist. Deine mediale Unterstützung und all die Möglichkeiten zum Netzwerken waren und sind unglaublich wertvoll. Du warst die erste Herausgeberin eines Frauenmagazins, die Brustkrebs zum Thema gemacht hat. Das war auch sehr mutig. Wie haben LeserInnen ganz zu Beginn darauf reagiert?

Uschi Pöttler-Fellner: (lacht). Der Weg, meine damaligen Geschäftsführer für das Thema zu sensibilisieren, war ein wenig steinig, aber nachdem ich das erste Cover zum Thema Brustkrebs „durchgeboxt“ hatte, haben alle erkannt, dass wir hier eine Lawine losgetreten haben. Pink Ribbon begleitet meine Medien-Laufbahn nun seit mehr als 20 Jahren und ich bin unendlich dankbar, dass ich immer wieder neu unterstützen kann. Das erdet mich und gibt mir Kraft. Ich sehe es als großes Geschenk, dass ich. Teil von Pink Ribbon sein darf.

„Woman“-Gründerin Uschi Pöttler-Fellner produzierte 2002 das erste Cover zum Thema Brustkrebs. Susanne Riess-Hahn sprach damals öffentlich über ihre persönliche Erfahrung. Oben: Doris Kiefhaber mit Olivia Newton-John, Stargast der Pink Ribbon Night 2010.

PARTEIÜBERGREIFEND.

Christine Marek, Eva Glawischnig und Sabine Oberhauser, die 2017 ihrem Krebsleiden erlag, bei der Pink Ribbon Night 2015. © Peter Hautzinger, Krebshilfe, Parlamentsdirektion, Ulkrike Wieser, Mike Ranz

See More

PINK.

Doris Kiefhaber mit Olivia Newton-John, Stargast der Pink Ribbon Night 2010. © Peter Hautzinger, Krebshilfe, Parlamentsdirektion, Ulkrike Wieser, Mike Ranz

See More

LEGENDÄR.

#sheskis und #pinktable in Obertauern jedes Jahr mit viel Herzblut organisiert von den Pink-Ribbon-Botschaf- terinnen Mona Maier und Manuela Krings. © Peter Hautzinger, Krebshilfe, Parlamentsdirektion, Ulkrike Wieser, Mike Ranz

See More

BERÜHREND.

Minutenlanger Applaus aller Abgeordneten für 20 „Meta Mädels“ (2021) beim Empfang im Plenarsaal. © Peter Hautzinger, Krebshilfe, Parlamentsdirektion, Ulkrike Wieser, Mike Ranz

See More

Beitragsbild: © Peter Hautzinger, Krebshilfe, Parlamentsdirektion, Ulkrike Wieser, Mike Ranz