Es war der Event der Pariser Modewoche: 2200 Gäste füllten am Montagabend das Grand Palais, um das mit Spannung erwartete Debüt von Matthieu Blazy bei Chanel zu sehen. Der 41-jährige Belgier, zuletzt gefeiert bei Bottega Veneta, übernahm den Chefposten von Virginie Viard – und lieferte. Über dem Laufsteg schwebte ein kunstvoll inszeniertes Planetensystem, darunter: eine Kollektion, die Chanel-Tradition in neue Sphären katapultierte.
Blazy bewegt sich souverän auf dem schmalen Grat zwischen Hommage und Neuinterpretation. Sein erstes Look? Ein karierter Wollanzug mit gekürztem Blazer – inspiriert von Coco Chanels Vorliebe, sich in die Kleidung ihres Lovers „Boy“ Capel zu hüllen. Dazu tief sitzende Röcke, ausgefranste Säume, strukturierte Strickteile und fließende Silhouetten: Die Handschrift ist deutlich. Moderner, leichter, selbstbewusster.
Zwischen Sternenstaub und Straw-Chic
In der Kollektion finden sich subtile Verweise auf die Vergangenheit der Maison – etwa in einer Tunika mit Tropfensilhouette und ausgestelltem Midirock, die an die klaren Linien der ikonischen Parfumflakons erinnert. Strickröcke in Stroh-Optik, Tops wie zerschlissenes Papier – Blazy spielt mit Texturen, wie einst Karl Lagerfeld mit Theatralik. Die legendäre 2.55-Bag wurde in gecrushtem Finish gezeigt, das burgunderrote Innenleben dabei wie ein offenes Geheimnis zur Schau gestellt.
Feathers? Bien sûr. Auf dem Laufsteg wehten federbesetzte Röcke und transparente Tweeds – ein zarter Rückgriff auf Lagerfelds galaktische Chanel-Ära der 90er. Der Schmuck? Blüten, Federn, barocke Perlen – auffällig, verspielt, fast magisch. Ein echtes Signature-Statement Blazys, der bekennender Accessoire-Liebhaber ist.
Was sich bei Chanel zeigt, ist übrigens auch anderswo kaum zu übersehen: Federn feiern ein modisches Comeback – und zwar fernab von Karnevalskitsch oder Red-Carpet-Dramatik. Stattdessen: weich, elegant und fast meditativ eingesetzt. Ob als Detail an Säumen, auf Ohrringen oder als Stickerei – sie stehen für Bewegung, Leichtigkeit und ein bisschen Eskapismus in einer oft zu ernsten Modewelt.
In Kombination mit soften Tönen, luftigem Strick und schimmernden Stoffen ergeben sie Looks, die irgendwo zwischen Couture und Alltag tanzen. Kein Wunder, dass sich der Trend längst in den Streetstyles der Fashion Week wiederfindet – als Haarclip, Handtaschenakzent oder am Saum eines schlichten Kleids.
Chanel, neu aufgeladen
Was Blazy bei Chanel abliefert, ist mehr als bloß ein gut durchgestyltes Debüt. Es ist ein strategisches Ausloten dessen, was Luxus in einer neuen Zeit bedeuten kann – ohne den Mythos Coco zu verlieren. Die Kollektion ist dabei kein radikaler Bruch, sondern eine feinfühlige Weiterentwicklung: Die Codes des Hauses sind da – aber entstaubt, entkrampft und neu ausbalanciert. Der Look: tragbar, aber nicht beliebig. Feminin, aber nicht verspielt. Retro, aber mit Rückenwind.
Der Anspruch, die Maison ins Jetzt zu holen, zeigt sich auch in den Details: Röcke saßen tiefer, Blazer kürzer, Silhouetten weiter. Die Farbpalette blieb elegant – Crème, Schwarz, Oatmeal, Burgunder – mit subtilen Goldakzenten, etwa in Form von Weizen-Embroideries, inspiriert von einem von Coco Chanels Glücksbringern. Alles wirkt durchdacht, nichts gekünstelt.
Glamour auf der Gästeliste
Dass dieses Debüt unter Beobachtung stand, war klar. Entsprechend hochkarätig das Publikum: Neben Nicole Kidman samt Töchtern ließen sich Stars wie Marion Cotillard, Gigi Hadid, Jennie von Blackpink, Riley Keough und Sofia Coppola blicken. In der ersten Reihe wurde getuschelt, fotografiert – und begeistert applaudiert.
Ein kleiner Überraschungsmoment auf dem Laufsteg: Lux Pascal, Schauspielerin, Aktivistin – und Schwester von „The Last of Us“-Star Pedro Pascal – feierte ihr Paris Fashion Week-Debüt. Die in Kalifornien geborene Newcomerin ist dem einen oder anderen bereits aus Serien wie La Jauría oder dem Indie-Film Miss Carbón bekannt. Nun setzt sie auch in der Modewelt erste Akzente.
Für Chanel präsentierte sie ein ärmelloses Ensemble mit Chevron-Muster in Bone und Schwarz, dazu farbenfrohe Statementketten, eine bordeauxfarbene Clutch und spitze Heels mit schwarzem Rand. Ein Auftritt, der nicht nur stilistisch, sondern auch emotional Wirkung zeigte – denn Lux ist nicht neu auf dem Catwalk: Bereits Anfang des Jahres lief sie bei der Mother Daughter Holy Spirit-Show, einem Fundraising-Event für die Trans Justice Funding Project.
Die Schauspielerin, die 2021 öffentlich trans kam, beschrieb die Erfahrung später als „wichtig“ und „emotional überwältigend“. Ihr Bruder Pedro unterstützt sie seitdem öffentlich und konsequent – mit Statements auf Social Media und politischen Botschaften auf dem Red Carpet. In einem Interview sagte er über Lux: „Sie ist und war immer eine der stärksten Persönlichkeiten, die ich je kennengelernt habe.“
Auch Lux selbst sprach offen über die Verbindung: „Er war einer der ersten Menschen, der mir die Werkzeuge gab, um meine Identität zu formen.“ Auf dem Laufsteg – so scheint es – trägt sie all das mit Stolz.


