Tamara Mascara

QUEEN’S CLOSET. Sie ist Dragqueen, Designer und DJ, also „Tausendsassa“ und Multitalent. Das Kreative, die Bühne und Stage-Performances sind ihr Leben. Für den Fashion-Talk hat Tamara Mascara uns zu sich nach Hause eingeladen.

Im Fashion-Talk teilt die Dragqueen ihr Mode-Know-How, lässt uns einen Blick in ihren (begehbaren) Kleiderschrank werfen und gibt Tipps für die look! Style Awards.


look!: Wie ergänzen sich deine Jobs miteinander?

Tamara Mascara: Im Grunde habe ich fast aus einem Zufall heraus begonnen, als Dragqueen zu arbeiten. Ich habe mich einfach gerne so krass und feminin gestylt, wie es nur irgendwie ging. Dann habe ich gemerkt, dass ich Geld damit verdienen kann, und angefangen, mir zu überlegen, was jemand von einer Dragqueen brauchen könnte. Auf Events und Partys sind DJ-ing, Moderation und Performance relevant. Und in weiterer Folge alles auf einer Bühne. Design kommt dazu, weil ich die Modeschule in Hetzendorf abgeschlossen habe und dort das Nähen und Entwerfen gelernt habe. Für mich persönlich ist das ein mega Vorteil, weil ich meine Ideen gleich selber umsetzen kann.

Wann bist du zu Tamara Mascara geworden?

So genau kann ich das nicht sagen … So in etwa 2007/ 2008, glaube ich. Am Anfang war mein Drag nicht an einen Künstlernamen gebunden. Ich habe Drag gemacht und war Raphael (so Tamara Mascara mit bürgerlichem Namen). Der Lokalbesitzer einer Schwulenbar hat mir gesagt, ich bräuchte zwei Sachen: „Brüste und einen Künstlernamen!“ Eine Zeit lang habe ich ausgestopfte BHs getragen. Das hat mir dann irgendwann nicht mehr gefallen. Seitdem bin ich wieder flach unterwegs – aber der Künstlername ist geblieben. Das macht etwas mit den Leuten, das hätte ich selber nie gedacht. In einen stinknormalen Namen kann das Publikum nicht viel hineininterpretieren, aber in einen Künstlernamen schon. Da entsteht automatisch eine Fantasie.

Du bist immer mit toller Perücke unterwegs. Passt du die Perücke an das Outfit an oder das Outfit an die Perücke?

Ich arbeite seit vielen Jahren mit einem unglaublichen Perückenmeister zusammen: @eduvongomes (ist auch ein Instagram-Star) macht meiner Meinung nach die mit Abstand schönsten Perücken-Stylings. Unser Deal ist: Geld gegen Perücken und schmutzige Perücken gegen schöne Perücken! So geht das immer hin und her. Ich habe phasenweise unterschiedliche Stile, was die Haare angeht. Das teile ich ihm mit und er setzt es um. Je nachdem was ich anziehe, kombiniere ich die Perücken dazu. Auf Instagram sieht man, dass du alle möglichen Stilrichtungen verkörpern kannst.

Was ist deine Lieblingsepoche?

Das ist ganz schwer zu sagen. Ich komme immer wieder zu einer Silhouette der 80er, 50er, 30er und 40er. Starke, konstruierte Schultern und eine enge Taille. Meistens geht es dann unten auseinander oder oder aber wirklich knapp ins Knie hinein. Mir geht es dabei darum, einen spannenden Kontrast zwischen breit und schmal zu schaffen. Das macht den ganzen Körper einfach interessanter als ein gerader Kasten!

Was trägt Tamara in ihrer Freizeit?

Tamara existiert im echten Leben nicht. Freizeitoutfits hat Raphael, Tamara „spielt“ Freizeit. Auch wenn es bei Tamara gemütlich ausschaut, passt das Outfit immer genau zum Anlass. Leger und entspannt ist es trotzdem nicht, ein Full Face of Make-up ist nie eine Entspannung.

Was ist dein go-to Look, wenn es dir nicht gut geht und Tamara trotzdem raus muss?

Es gibt mehrere Dinge, die ich mache, um mir zu helfen. Das eine ist ein dicker, fetter Blockabsatz, damit ich nicht den ganzen Abend auf einem kleinen Heel balancieren muss. Und ein Stretchkleid mit Taillengürtel plus Kurzhaar-Perücke (Schulter- oder Kieferlänge). Das ist das Einfachste, was es gibt. That’s comfortable drag!

Freizeitoutfits hat Raphael, Tamara „spielt“ Freizeit. Ein Full Face of Make-up ist nie eine Entspannung.

Du hast ein tolles Ankleidezimmer. Gibt es ein Stück, das du unbedingt haben wolltest, aber nie trägst?

JA! Ich habe einen Vintage-Mantel von Thierry Mugler, den ich zu einem kriminell niedrigen Preis bekommen habe. Ein richtiges Fashion-Piece. Aber was macht eine Dragqueen mit einem Mantel? Ich setze mich ins Taxi zum Club und wieder zurück und habe null Verwendung für einen Mantel. Ich habe ihn schon 7 Jahre bei mir und noch nie angehabt. Mittlerweile denke ich mir: Mach den Platz frei für etwas, das du auch trägst.

Was ist mit Sachen, die dir nicht mehr passen?

Ich mache „Flohmärkte“. Das sind richtige Happenings, bei denen ich meine vertrauten Drag-KollegInnen einlade. Mit nur etwa fünf Leuten ist das immer ein nettes Get-together. Wir trinken, quatschen, und wenn die Stimmung dann richtig gut ist, gehen wir in meinen Schrankraum. So verkaufe ich Sachen an meine Lieblings-KollegInnen. Sie tragen die Stücke dann auch in Ehren und das ist das größte Kompliment als Designer und Schneider.

Hast du einen Sessel neben dem Bett, auf dem sich getragene Outfits stapeln?

Natürlich, jeder hat so was! Wenn das look!-Magazin vorbeikommt, natürlich nicht, das ist eh klar. Wenn ich einen Auftritt habe – und vorher ein Event – und nachher ein Event – rase ich durch den Schrankraum. Ihr wollt euch gar nicht vorstellen, wie es dann ausschaut …

BOSS LADY. Entzückende Details, hohe Altbauwände und ein begehbarer Kleiderschrank mit beeindruckenden Fashion-Pieces. Im Hause Mascara kommt Interior Design nicht zu kurz – und wir nicht nach mit dem Schauen. Besonderen Wow-Faktor hat das Arbeitszimmer, in dem die Dragqueen in Boss-Manier ihre Business-Affären klärt. So geht extravagant!

Wie viel von deinen Kostümen machst du selber und wie viel ist gekauft?

Das kommt drauf an, wie viel Stress und wie viel Geld ich habe. Meistens gehen Stress und Geld Hand in Hand. Je mehr Stress, desto mehr Budget! Wenn ich eine konkrete Vorstellung davon habe, was ich tragen will, oder es spezifische Kundenwünsche gibt, entwerfe und nähe ich selber. Im Drag ist es ein Luxus, das Outfit selber entwerfen zu können. Man kann alles in Ruhe mit sich selbst ausmachen.

Welche Stoffe kann man kombinieren und welche nicht?

Es gibt keine Regeln. Du kannst auch ein Kleid aus Papier und Seide entwerfen, wenn du Lust drauf hast. Praktikabel wird es aber spätestens bei der ersten Wäsche nicht mehr sein. Ich finde ein kompletter Look, der aus nur einem Material besteht, hat einen starken Effekt. Bei Karomustern ist viel Vorsicht geboten. Verschiedene Karos zu kombinieren ist echt eine Kunst. Respekt an Vivienne Westwood – sie konnte das! Verschiedene Animal-Prints sind auch eine Herausforderung. Mit Gefühl für Farbe, Muster und Details ist aber alles möglich.

Wie steht es mit Nägeln und Schmuck?

Ich stehe extrem auf lange Nägel und hatte zehn Jahre lang richtige Acryl-Krallen. Aufgehört habe ich in der Covid-Zeit, weil sie rausgewachsen sind – und das kann echt gefährlich werden. Seitdem nie wieder. Jetzt sind sie seit ein paar Jahren wieder natürlich. Bei Schmuck habe ich mir einen strikten Einkaufsstopp auferlegt. Ich bin im Dorotheum genauso wie im China-Geschäft um die Ecke Stammkunde und kaufe dort allen Strass auf, den ich finden kann: Alles glitzert im Rampenlicht!

Was war der beste Fashion-Moment deiner Karriere – bis jetzt!

Das aufwendigste Kleid, das ich je gemacht habe und bei dem ich auch von vorne bis hinten zufrieden war, habe ich spezifisch für die „Seven Seas Show“ bei Circus (dem größten Gay Clubbing in Österreich) gemacht. Ich bin aus einer gigantischen Jakobsmuschel auf der Bühne gestiegen und habe performt. Das Kleid war eine Nude-Illusion, komplett übers.t mit Perlen und Strass. Das beste Kleid bis dato.

Wenn ich einen Auftritt habe und gestresst bin, rase ich durch den Schrankraum. Ihr wollt euch gar nicht vorstellen, wie es hier dann ausschaut …

Hast du auch etwas, was sich für dich im Nachhinein anfühlt wie ein Fashion-Fauxpas?

Na sicher, natürlich! Ich veranstalte die Party-Serie im Dragaholic im „Why Not“. Das Event findet monatlich statt und irgendwann sind mir einfach die Ideen ausgegangen. Ich hatte einen sehr coolen Show-Body an und darüber, für den Reveal auf der Bühne, eine rote Vintage-Kostümjacke von Mugler. War zu eng, hat definitiv nicht gepasst. Die Haare auf beiden Seiten hochtoupiert. Es gibt leider sogar Fotos. Girl, that was shit!

Du hast letztes Jahr die look! Style Awards moderiert. Was war dein Highlight?

Ich hatte mich vorher mit Jury Mitglied Pandora Nox zerstritten. Wir sind ganz offen aufeinander zugegangen und haben uns an dem Abend vertragen. Ab Showbeginn war alles toll und wir konnten die coolen Outfits und tollen Personalities bestaunen!

Hast du einen Tipp für die KandidatInnen der look! Style Awards 2024?

Man darf sich ruhig ein bisschen mehr trauen und es darf ruhig ein bisschen mehr Gas gegeben werden. Es ist ja eine Show – performt! Ich freu mich schon.

Beitragsbilder: © Elisabeth Lechner