Unklarheiten aus dem Weg räumen, dabei aber auch zur Vorsorge mahnen: Drei Experten bringen „Erleuchtung“ rund um das Thema Brustgesundheit.

KÄMPFEN FÜR MEHR BRUSTBEWUSSTSEIN. Krebshilfe-Geschäftsführerin und Pink Ribbon-Mastermind Doris Kiefhaber, Krebshilfe-Präsident Prim. Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda und THINK PINK!-Gründerin Viviane Shklarek (v. l. n. r.). © Andreas Hofmarcher / Maisblau

Das Thema Brustkrebs ist trotz jahrelanger Aufklärungskampagnen bei vielen Frauen noch immer ein Tabu bzw. wird von Missverständnissen und Fehlinformationen umrankt. Oft sind es die banalen Fragen, die man sich nicht fragen traut, die Verunsicherung schüren und damit ein grundlegendes Vorsorgeverhalten verhindern. Gerade bei jungen Frauen ist oft nicht klar, was unter „Brustbewusstsein“ zu verstehen ist. Für look! ein Grund, drei hochkarätige Experten auf diesem Gebiet zu einem „Pink Ribbon Round Table“ zu laden: Viviane Shklarek(Initiatorin und Vorstand der Brustinitiative THINK PINK!) stellte Doris Kiefhaber(Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe) und Universitätsprofessor Dr. Paul Sevelda (Präsident der Österreichischen Krebshilfe und Top-Experte in der gynäkologischen Onkologie) die brennendsten Fragen unserer Leserinnen.

look!: Starten wir mit einer der häufigsten Fragen: Ab wann muss man denn eigentlich zur Mammografie?

Paul Sevelda: Prinzipiell ist vorgesehen, dass die Frau ab dem 40. Lebensjahr alle zwei Jahre die Mammografie durchführen lässt oder dann, wenn etwas Ungewöhnliches auffällt – das sollte sofort mit dem Vertrauensarzt oder der Vertrauensärztin abklärt werden und die leiten einen dann entsprechend weiter, oft entweder zur Mammografieoder zum Brustultraschall.

Und wenn man jünger ist?

Paul Sevelda: Die Brustkrebserkrankung ist vor dem 40. Lebensjahr ein sehr seltenes Ereignis. Kann aber natürlich vorkommen, besonders bei Frauen mit mehreren bekannten Brustkrebserkrankungen innerhalb der Familie – da macht dann eine Mammografie früher schon durchaus Sinn, aber für die „Durchschnittsfrau“, die keine familiäre Belastung hat, empfehlen wir es erst ab dem 40. Lebensjahr und davor nur dann, wenn etwas auffällt.

Stellt der Ultraschall eine Alternative zur Mammografie dar?

Paul Sevelda: Der Ultraschall ist kein Ersatz für die Mammografie, sondern eine ergänzende Untersuchung. Er ist sehr hilfreich, um Zysten zu erkennen,und wenn das der Fall ist, kann man sich die Mammografie, die eine zusätzliche Strahlenbelastung wäre, sparen. Der Ultraschall ist also sehr wohl eine wertvolle Untersuchung, jedoch kein Ersatz für die Mammografie.

Doris Kiefhaber: Wir werden oft gefragt: Warum bekommt die eine Frau eine Ultraschalluntersuchung zusätzlich zur Mammografie und die andere nicht? Oftmals wird dann fälschlicherweise die Qualität des Radiologen oder der Radiologin hinterfragt, dabei hängt es ganz vom Brustgewebe etc. ab, ob ein zusätzlicher Ultraschall notwendig ist oder nicht.

Was bedeutet familiäre Vorbelastung und woher weiß ich, ob ich überhaupt familiär vorbelastet bin?

Paul Sevelda: Das familiäre Risiko definiert sich aus mehreren Dingen. Wenn in der Familie, bei den direkten Verwandten, vermehrt Brustkrebs vorgekommen ist, muss man hellhörig werden. Oder wenn eine Frau in sehr jungen Jahren, etwa mit 30, an Brustkrebs erkrankt, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass es genetisch bedingt ist – da kann dann bei einer Untersuchung nachge­schaut werden, ob eine solche Mutation tatsächlich die Ursache ist.

Bild PinkRibbon_Roundtable_010922_©Maisblau_9.jpg

SEIT 20 JAHREN UNERMÜDLICH IM EINSATZ. Pink Ribbon-Vorreiterinnen Uschi Pöttler-Fellner und Doris Kiefhaber haben mit ihrer Aufklärungsarbeit viel bewegt. © Andreas Hofmarcher / Maisblau

Wenn ich familiär vorbelastet bin, muss ich also früher zur Mammografie? 

Paul Sevelda: Der erste Schritt ist zu klären, ob eine derartige Mutation, einegenetische Ursache vorliegt. Ist diese nachgewiesen, sollten die betroffenen Frauen im Alter von 25 Jahren mit einer Früherkennungsuntersuchung anfangen, da in diesen Fällen Brustkrebs schon früher auftreten kann. Zunächst wird nur eine Magnetresonanztomografie gemacht, weil dabei keine Strahlen­ belastung stattfindet, und erst ab dem 35. Lebensjahr dann zusätzlich die Mammografie.

Wie funktioniert das mit der Mammografie: Wo muss ich hin? Muss ich mich anmelden? Was kostet es?

Paul Sevelda: Kosten tut es nichts, es wird in Österreich von der Gesundheits­kasse bezahlt und in den dafür zertifi­zierten Instituten nach den Richtlinien des Brustkrebserkennungsprogrammes durchgeführt – qualitätsgesichert mit modernen Geräten, die eine sehr geringe Strahlenbelastung haben. Im Rahmen des Brustkrebsfrüherkennungsprogram­mes kann man mit dem Einladungs­schreiben, das ab dem 45. Geburtstag jede Österreicherin oder in Österreich lebende Frau bekommt, zum Institut gehen – man sollte sich am besten an­ melden, das verkürzt die Wartezeit. Man kann aber natürlich auch bei Auffällig­keiten jederzeit mit einer Zuweisung vom zuständigen Facharzt zur Mammografie gehen.

Doris Kiefhaber: Das war die große Änderung seit 2014. Bis dahin hat man auch für die rein vorsorgliche Mammo­grafie eine Überweisung gebraucht, das ist jetzt zum Glück anders.

Kann man Brustkrebs überhaupt vermeiden? Was sind potenzielle Risiko­faktoren?

Paul Sevelda: Es gibt keine Frau, der wir mit 20 garantieren können, dass sie nicht an Brustkrebs erkranken wird. Es gibt schon Risikofaktoren, die man be­einflussen kann, aber auch welche, die man nicht beeinflussen kann, wie zum Beispiel, wenn man stillt: Je länger man stillt, umso geringer ist das Erkrankungs­risiko. Oder je früher man die Menst­ruation bekommt und je später man in den Wechsel kommt, umso höher ist das Risiko. Das sind allerdings Faktoren, die erstens nicht änderbar sind und zwei­tens einen nur sehr geringen Einfluss haben. Es gibt auch Dinge, die sich positiv auswirken wie Bewegung zum Beispiel. Was auch häufig nachgefragt wird: Die Pille ist für sich gesehen kein erhöhtes Risiko, wenn überhaupt, dann nur in sehr geringem Maße, weil sie üblicherweise in einem Alter genommen wird, in dem sehr wenige Frauen an Brustkrebs erkranken.

Bild PinkRibbon_Roundtable_010922_©Maisblau_7.jpg

„Ein Bewusstsein für die eigene Brust ist ganz wichtig“, so Prim. Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda. © Andreas Hofmarcher / Maisblau

Bisher wurde ein monatliches Selbstabtasten, besonders für Frauen, die noch nicht zur Mammografie müssen, empfohlen – ist das nach wie vor so?

Paul Sevelda: Ich glaube, ein Bewusst­ sein für die eigene Brust ist ganz wichtig. Jede Frau sollte ihre Brust kennen und wenn ihr bei der täglichen Dusche etwas auffällt, sollte sie eine entsprechende Vorsicht walten lassen, und wenn es am nächsten Tag nicht verschwunden ist, sollte es mit dem Arzt oder mit der Ärztin des Vertrauens besprochen werden. Mir geht es aber auch darum, dass man die Frauen nicht zu sehr verunsichert. Es gibt Frauen, die tasten sich jeden Monat penibelst ab und sind verunsichert, weil sie immer etwas spüren – es gibt aber immer kleine Knötchen zu ertasten, die harmlos sind. Andererseits gibt es aber auch Frauen, die tasten sich ab und fühlen sich dann so sicher, dass sie auch die empfohlenen Früherkennungs­untersuchungen wie die Mammografie nicht in Anspruch nehmen, und das ist der falsche Weg. Also ich würde sagen, alles, was der Frau an ihrem eigenen Körper auffällt, sollte Beachtung finden und zu einem Besuch beim Vertrauens­arzt oder der Vertrauensärztin führen.

Doris Kiefhaber: Wichtig ist auch zu sagen, dass das Abtasten per se definitiv keine Früherkennung ist. Egal wer abtas­tet, ob es der Arzt ist oder man selbst – wir haben derzeit nur die Mammografie als wissenschaftlich erwiesene Methode zur Früherkennung von Brustkrebs. Abtasten kann dem Brustbewusstsein dienen.

Was kann man als junge Frau tun, um brustbewusster zu werden?

Paul Sevelda: Ich glaube, das Thema ist sehr populär geworden, gerade durch Aktionen wie Pink Ribbon, andere Initi­ativen und prominente Frauen, die sich outen. Also ich glaube, Brustkrebs ist sehr präsent und man findet eigentlich kaum mehr Menschen, die sagen, sie haben keine Ahnung davon. Es ist eher die Angst, etwas zu entdecken, und da wäre meine Botschaft: Wir sind heute in der Behandlung und Früherkennung so gut, dass wir 85­-90 % aller Frauen, die diese Diagnose bekommen haben, so gut behandeln können, dass sie ge­sund alt werden können und nicht an der Erkrankung versterben. Man soll sich also nicht davor scheuen, wirklich Früherkennung zu betreiben, denn je früher wir es erkennen, umso besser können wir es behandeln.

Wenn die Diagnose Brustkrebs eintritt: Muss man definitiv eine Chemo­therapie machen oder gibt es alternative Behandlungen?

Paul Sevelda: Grundsätzlich ist Brustkrebs nicht Brustkrebs. Es gibt bestimmte Formen, die relativ selten sind, etwa 20%, wo wir eine Chemo­therapie einsetzen. Bei 80% ist es ent­weder eine medikamentöse Therapie, die Strahlentherapie oder die Antikörper­ bzw. Immuntherapie, die wir seit etwa 10 Jahren einsetzen. Eine Operation muss nach wie vor zusätzlich zu allen Formen durchgeführt werden.

Wann müssen die Brüste eigentlich entfernt werden?

Paul Sevelda: Wir sind heute in der glücklichen Lage, dass wir in fast 90% der Fälle die Brust so operieren können, dass wir nur den Knoten entfernen, und das sind so kleine Eingriffe, dass man sie kaum sieht. Es hängt natürlich davon ab, wie groß Brust und Knoten sind und wie der operative Verlauf ist, aber in aller Regel ist das kosmetisch heute sehr gut machbar und nur in wenigen Fällen ist es notwendig, dass wir die Brust zur Gänze entfernen, und selbst da haben wir die Möglichkeit, einen Wiederaufbau der Brust durchzuführen.

Kann man nach einer Brustent­ fernung noch einmal Brustkrebs bekommen?

Paul Sevelda: Ja, man kann nicht von vornherein sagen, dass das nicht mehr möglich ist, denn selbst wenn wir versuchen, das gesamte Drüsengewebe zu entfernen, bleibt immer etwas zurück. Daher werden Frauen, die die Diagnose schon einmal gehabt haben, einmal im Jahr mithilfe der Mammografie untersucht.

Wenn ich betroffen bin oder war, gibt es eine Anlaufstelle in Österreich, an die ich mich wenden kann?

Doris Kiefhaber: Es gibt 63 Krebs­hilfeberatungsstellen, wo man über alle Ängste sprechen und Fragen stellen kann. Es gibt auch finanzielle Unter­stützung und Gruppenabende, wo inte­ressierte Frauen sich austauschen und vernetzen können. Wir empfehlen auch drei geschlossene Facebook­ Gruppen: „Brustkrebs Österreich“, „Brustkrebs“ und „Metastasierter Brustkrebs Öster­reich“. Das hat den Vorteil, dass man auch vom Sofa aus und anonymisiert Fragen stellen kann und es ist immer wer da, der antwortet – es ist eine wirklich tolle Community.