Die Quereinsteigerin Parvin Razavi wurde von Gault-Millau zur Newcomerin 2023 gewählt. Für „&flora“ erkochte sie mit verführerischen Aromen innerhalb weniger Monate drei Hauben. Dazu serviert die Köchin eine große Portion positive Energie und Lebensfreude.

POWER AM HERD. Die gebürtige Perserin Parvin Razavi kochte im Künstlerhaus und im „Gschupften Ferdl“, wo sie mit ihrem Team bereits drei Hauben erkochte. Vor ihrem Wechsel ins „&flora“ im März 2022 war sie im „Dogenhof“. Außerdem hat sie zwei Kochbücher geschrieben: „Vegan Oriental“ und „Teheran – die Kultrezepte“. © Michael Königshofer

Ihre Arbeitstage sind exakt durchgeplant. Ein wenig müde sei sie, sagt Parvin Razavi im Interview. Mit acht kam sie als Kind politischer Flüchtlinge nach Wien und hatte den Eindruck, dass „Hunde wichtiger als Menschen“ sind. Sie wuchs zwischen zwei Kulturen auf, verstand aber schnell, dass Sprache verbindet, und wollte Deutsch perfekt beherrschen. Sie experimentierte schon früh in der Küche, 2010 begann die autodidaktische Bioköchin dann den Foodblog „thx4cooking“. Die Produkte und Düfte ihrer ersten Lebens­jahre in Teheran und am Kaspischen Meer haben sie geprägt und sie kombiniert sie heute gerne mit regionalen Lebensmitteln zu bunten Crossover-Gerichten. „Rezepte sind dazu da, geändert zu werden“, ist sie überzeugt. Die quirlige Köchin ist auch eine passionierte Gastgeberin: „Essen verbindet und Kochen ist Liebe“, sagt sie, und das merkt man bei ihren Gerichten!

look!: Waren Sie von der Auszeichnung überrascht?

Parvin Razavi: Extrem – und ich habe auch voll geheult. Ich hatte gehofft, dass wir getestet werden. Das erste Mal in meiner Arbeitskarriere wollte ich die Anerkennung und mich dem Wettbewerb stellen. Was mich an dieser Auszeichnung besonders freut, ist, dass ich als einzige Köchin Wien repräsentieren durfte. Ich war das Gesicht dieser diversen Stadt Wien, das war eine enorme Genugtuung, die einzige Frau und dann noch die Einzige mit Migrationshintergrund.

Wie haben Sie es geschafft, innerhalb von acht Monaten drei Hauben zu erkochen?

Wir machen das, was wir gut finden. Ich konzentriere mich ganz pragmatisch auf mich. Schon als Bloggerin habe ich gemerkt, dass mir die Beschäftigung mit den anderen Energie nimmt. Um bei meiner Stärke zu bleiben, darf ich nicht nach links und rechts schauen.

Was ist das Geheimnis Ihrer Küche?

Meine Küche ist weltoffen und weiblich, sehr gemüse­ fokussiert und bunt. Was mich immer bewegt, ist alles, was aus der Erde kommt. Die Art, wie ich koche, hat ihren Ursprung in der persischen Küche und wie ich die Gewürze verwende. Nachdem ich kochen nicht gelernt habe, habe ich einen viel freieren Zugang dazu.

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TEAMWORK. Der Blick in die Küche ist weiblich. Parvin Razavi möchte bewusst Frauen fördern. Wertschätzung im Umgang miteinander und Ehrlichkeit stehen bei ihr an oberster Stelle, obwohl es „emotionaler zugeht, wenn viele Frauen zusammen­ arbeiten.“ © Michael Königshofer

Was verstehen Sie unter weiblicher Küche?

Sie ist intuitiver. Es gibt ausgezeichnete Köche, aber meistens ist alles durchdacht und sehr präzise. Präzision ist nicht das, was mich definiert. Es muss nicht drei mal drei Millimeter geschnitten sein. Bei mir darf es auch einmal anders sein, aber es soll gut schmecken. Natürlich habe ich eine ästhetische Vorstellung, wie die Dinge aussehen sollen, aber ich mache es nicht mit dem Lineal. Das ist nicht meine Zukunft.

Haben Sie einen Geschmackscomputer im Kopf ?

Den haben alle guten Köche. Man muss sich vorstellen können, wie was und in welcher Kombination schmeckt. Diese Fantasie brauchst du, sonst machst du nur Malen nach Zahlen. Man braucht aber beide in einem Team, die, die gut umsetzen, und die Künstler, die etwas Neues schaffen.

Wie fallen Ihnen neue Gerichte ein?

Wenn ich in die Gemüsekiste blicke. Ich bestelle immer zwei, drei Sachen, die ich nicht kenne, und setze mich damit auseinander. Was kann ich damit machen, in welcher Kom­bination? Und am liebsten in verschiedenen Konsistenzen.

Wollten Sie immer schon Köchin werden?

Das war ein Prozess, ich wusste nur, ich möchte kochen. Ich bin sehr geprägt von meinem Elternhaus. Meine Mutter hat jeden Tag frisch gekocht, meine Geschmacksnerven wurden nie verdorben. Ich bin es gewöhnt, dass gemeinsam am Tisch zu sitzen und zu essen ein Ritual ist. Jedes Wochenende waren die Verwandten da, meine Mutter hat für 20, 30 Leute gekocht. Dieses Gefühl, wir wollen Gäste betreuen und glücklich machen, hat mich geprägt. Und gleichzeitig Speisen für viele Menschen fertigzubringen, war eine Grundvoraussetzung, um überhaupt kochen zu können. Seit drei Jahren werde ich nun als Profi in dieser männlich dominierten Welt ernst genommen, davor war ich die Bloggerin, die kocht. Darauf bin ich schon ein wenig stolz.

Haben Sie daran gedacht, Wien zu verlassen und es in einer anderen Stadt zu versuchen?

Als alleinerziehende Mutter zweier schulpflichtiger Kinder ist dieser Zug abgefahren. Natürlich würde ich gerne nach Japan, um diese Küche zu lernen. Wenn man aber so spät wie ich mit dem Verwirklichen der eigenen Leidenschaft begonnen hat, geht das nicht, aber ich mache das Beste daraus und bin nicht traurig, dass ich da jetzt nicht hinkann.

Was ist Ihr Lieblingsgericht?

Pasta in verschiedensten Formen und der persische Reis natürlich, es gibt keinen besseren Reis.

Haben Sie ein Lebensmotto?

No risk, no fun.

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© Florence Stoiber

&FLORA

Die Küchenlinie ist auf Gemüse fokussiert, österreichische und nordische Einflüsse werden kombiniert und mit vielfältigen Aromen und Gewürzen veredelt. Qualität, Nachhaltigkeit, Fairness – und gleichzeitig leistbar sollen die Speisen sein.

Mo., 7.30–17 Uhr (Drinks & Snacks),
Di. bis Fr., 7.30–24 Uhr,
Sa., 8.30–24 Uhr (Frühstück bis 14 Uhr),
So. und Feiertag, 8.30–17 Uhr (Brunch à la carte)

Im Hotel Gilbert, Breite Gasse 9, 1070 Wien, undflora.at

Beitragsbild: © Michael Königshofer