IM GESPRÄCH MIT REBECCA CHELBEA

Rebecca Chelbea ist Body-Positive-Influencerin und will die Welt ein kleines Stückchen besser machen. Wie? Indem sie sich so zeigt, wie sie ist – mit Rundungen, Schamhaaren und allem, was zu einem richtigen Körper gehört.


look!: Du postest oft Bilder, auf denen viel Haut sichtbar ist. Wie gehst du mit Menschen um, die deinen Körper dadurch sexualisieren?

Rebecca Chelbea: Unterschiedlich. Mir ist bewusst, dass Menschen ganz oft ihre Realität auf mich projizieren, und ich kann mich gut abgrenzen, aber es gibt Tage, da habe ich einfach überhaupt keine Kraft oder Lust. Ich schütze mich, indem ich Kommentare oder private Nachrichten nicht lese. Man könnte Dinge anzeigen, das hilft ein bisschen, das habe ich aber noch nie getan. In erster Linie will ich Aufklärungsarbeit leisten, und in zweiter Linie schätze ich im Vorhinein schon ab, ob diese Diskussion überhaupt zu einer konstruktiven Konversation führt.

„All Bodies are equal!“ or at least they should be … Findest du, dass Frauen noch immer mehr mit öffentlicher Sexualisierung zu kämpfen haben als Männer?

Wir leben seit Jahrtausenden in einem Patriarchat und ich denke, dass Sexismus und die Sexualisierung und Objektifizierung von weiblichen und weiblich gelesenen Körpern nur eine weitere Form von Machtdemonstration ist. Es gibt viel zu viele Frauenkörper, nicht nur in den sozialen Medien, sondern im Sport, auf der Straße oder in der Kunst, im Film. Was ich auch erschreckend finde, ist, dass egal mit welcher Frau ich mich unterhalte, mir jede eine Geschichte von sexueller Belästigung schildern kann. Wir sehen auch Fortschritte, aber das ist ein sehr schwieriges Thema.

Lass uns die „Nippel-Debatte“ ansprechen. Hattest du schon Schwierigkeiten mit den Instagram-Richtlinien?

Weil Instagram ja auch mein Beruf ist, bin ich schon vorsichtig mit dem, was ich poste. Was aber auch lächerlich ist, dass Männer ihre Nippel auf der Straße, im Bad oder im Internet zeigen dürfen. Bei Frauen wird es sexualisiert. Ich hatte bis jetzt nur ein, zwei Ermahnungen.

Auf Instagram setzt du dich dafür ein, Haarwuchs an weiblichen Körpern zu normalisieren. Wieso entscheidest du dich gegen Enthaarung?

Ich entscheide das einfach intuitiv, wie ich mich gerade am wohlsten fühle und was ich gerade möchte. Es gab Zeiten, da habe ich mich über ein Jahr lang nicht rasiert. Ich finde es wichtig, sich bewusst zu machen, ob man es für sich macht oder in eine Norm passen möchte.

ECHT IST SCHÖN. Fast 100.000 Follower auf Instagram können nicht irren. „Love is my language“, sagt Rebecca. Beim Shooting mit Fotogra n Elisabeth Lechner elen die Hüllen wie selbstverständlich. Modell und Fotografin sind sich einig: „Echt ist schön!“ © Elisabeth Lechner

Was bedeutet Feminismus für dich?

Feminismus bedeutet für mich Gleichberechtigung, aber nicht nur zwischen dem hetero Cis-Mann und der hetero Cis-Frau, sondern wirklich allen Geschlechtern und auch allen nicht weißen Personen, einfach mehrfach diskriminierten, marginalisierten Gruppen.

Du strahlst auf deinen Bildern und akzeptierst deinen Körper so, wie er ist. Hast du Tipps für Frauen, denen es nicht so geht?

Das war nicht immer so. Ich kann mich von meiner Körperform zu den privilegierten und schönen Menschen zählen, aber das war ein konstantes Entlernen von Glaubenssätzen der gesellschaftlichen Norm, wie ich als Frau auszusehen habe. Es war ein langer Prozess, bis ich merkte, dass das Thema Körper bei meiner Community sehr gut ankommt. Inzwischen fühle ich mich wirklich sehr wohl, nicht nur physisch, sondern auch mental, ich lasse meine Gefühle zu und sehe meinen Körper als mein Zuhause und auch als Tool, um das Leben zu erfahren.

Du zeigst stolz die Regenbogenfahne in deiner Instagram-Bio. Wieso ist es dir wichtig, dass deine Follower über deine Sexualität Bescheid wissen?

Love is Love. Ich wünschte, wir würden in einer Gesellschaft leben, in der das egal wäre. Aber das ist es nicht. Die queere Community wird diskriminiert, und leider braucht es ein Outing. Es ist einfach wichtig, ein Zeichen zu setzen. Ich stehe zu mir und meiner sexuellen Orientierung.

Junge Frauen leiden am meisten unter gesellschaftlichem Druck, wenn es um die Bewertung ihrer Körper und ihres Aussehens geht. Wie schaffst du es, das nicht an dich heran zu lassen?

Man muss sehen, dass es nicht unser Fehler oder unser Problem ist, sondern ein systematisches Problem. Was mir hilft, ist, klar zu kommunizieren, dass ich nicht will, dass irgendwer mir sagt, dass ich ab- oder zugenommen habe, weil ich möchte nicht, dass irgendwer mein Gewicht kommentiert. Das ist ein mächtiges Tool, mir immer wieder zu sagen: Okay, diese Person hat ihre Lebenserfahrungen gemacht und spricht jetzt aus dem eigenen Mindset. Das hat eigentlich so gut wie nichts mit mir zu tun. Manchmal fällt mir das aber auch schwer.

BEAUTIFUL IMPERFECTION. Es gibt Influencer und Influencer: Die einen zeigen eine glatt gebürstete Welt, die anderen rücken vermeintliche Imperfektion in den Mittelpunkt. Zu ihnen gehört die Wienerin Rebecca Chelsea. © Elisabeth Lechner

Was sind deine Bewältigungsmethoden, wenn du das Gefühl bekommst, dass du dich gerade nicht so sehr liebst, wie du es verdient hast?

Der erste Schritt ist immer, es mir bewusst zu machen, dann reflektieren und dann handeln, je nachdem, was es ist. Als zum Beispiel mein Vater gestorben ist oder zwei sehr wichtige Menschen aus meinem Leben getreten sind und es mir sehrschlecht ging, hat das sehr an meiner Sicherheit und Stabilität gerüttelt. Und ich musste lernen, in dem Moment für mich da zu sein. Das kann in jeder Situation etwas anderes bedeuten. Ein Akt der Liebe war es in dem Fall, mir eine Therapie zu gönnen oder Hilfe zu holen. Ich bin jetzt regelmäßig in Therapie und es hilft mir total. Im Alltag helfen Atemübungen oder Yoga, auch Bewegung ist für mich ein sehr wichtiges Tool, das muss nicht extrem sein, das kann für die eine Person ein Spaziergang sein und für die andere CrossFit.

© Elisabeth Lechner 

Hat sich der vegane Ernährungsstil auf dein Körpergefühl ausgewirkt? Ernährst du dich bewusster als früher?

Ja, definitiv. Der Veganismus war für mich der Einstieg in ein bewussteres Leben. Und dann hat sich daraus das nächste entwickelt, das Thema Nachhaltigkeit ist für mich aufgetaucht,und ich habe mich mit dem Thema mehr beschäftigt, dann sind Yoga und Meditation in mein Leben getreten – Nachhaltigkeit auf einer mentalen und emotionalen Ebene. Ich bin Influencerin und habe mir letztes Jahr trotzdem fünf Wochen von Social Media frei genommen, obwohl das für den Job nicht gut sein kann. Man lebt ja von der Reichweite und dem Algorithmus. Ich bin bei weitem nicht perfekt, tue aber mein Bestes, ohne mich fertig zu machen. 

COMING OUT IS ABOUT LETTING PEOPLE IN. Rebecca hat sich mit fast 30 geoutet und fand das „megaschön“. Sie hat sich erlaubt, sich zur queeren Community zu zählen und empfand es als Privileg, in einer Umgebung zu leben, wo das akzeptiert wird. „Coming out is about letting people in.“ © Elisabeth Lechner

Beitragsbild: © Elisabeth Lechner