Definieren „Onlyfans“ und Social Media die Sexualität und sogar die Sexarbeit neu? Fakt ist: Influencer, Werbungen und Musikvideos pornografisieren sich deutlich.

  1. look!: Sie sind Sexualpädagoginnen. Welche Erkenntnisse sind mittlerweile relevant?

    Karin Mühlwasser:
     
    Sexualität ist vielfältiger geworden. Es gibt weniger starre Vorgaben, wie Sexualität und Geschlecht zu sein haben. Erlaubt ist, was gefällt, solange alle Beteiligten ihr Einverständnis geben.

  2. Welche Aspekte der Gesellschaft definieren die Sexualität heute?Karin Mühlwasser: Vor der Pandemie haben sich die Paradigmen Leistung, Optimierung und Verfügbarkeit noch einmal deutlich intensiviert. Diese Motive haben sich auch auf unseren Umgang mit Körper und Sexualität übertragen. Covid hat diesen Kurs zumindest etwas abgeschwächt. Die zunehmende Digitalisierung hat sich dadurch aber nochmals beschleunigt, und das ist im Bereich der Sexualität zu erkennen.
  3. Welche Rolle spielen dabei Social Media und die Plattform „OnlyFans“?
    Mona Fischer: Plattformen wie „Only Fans“ sowie die Verfügbarkeit von Online- Pornografie vereinfachen den Zugang zu sexuellen Inhalten. Pornografische Inhalte können problemlos über Smartphone abgerufen werden. Das macht es schwieriger, Altersbeschränkungen zu kontrollieren. Jugendliche werden aber auch oft unfreiwillig mit pornografischen Bildern und Videos konfrontiert.
  4. Damit wird auch die Sexarbeit neu definiert – online traniger und geschönter präsentiert.

    Karin Mühlwasser: 
    Die Darstellung auf Plattformen wie „OnlyFans“ lässt Sexarbeit außerhalb des Rotlichts und selbstverständlicher erscheinen. Das kann dazu führen, dass Sexarbeit attraktiver wirkt.

  5. Wie sollen Eltern damit umgehen?
    Mona Fischer: Sexuelle Medieninhalte sind als Thema mittlerweile in Volksschulklassen angekommen, weil viele Kinder Smartphones besitzen und Kindersicherungen nicht überall greifen. Für Eltern ist es deshalb wichtig die Mediennutzung ihrer Kinder und Jugendlichen aktiv zu begleiten.
  6. Laufen Jugendliche Gefahr Nacktheit und sexuelle Inhalte abgestumpfter wahrzunehmen?

    Mona Fischer: Unser Zugang zu Nacktheit hat sich verändert. Das liegt auch daran, dass in der Werbung oft damit gespielt wird. In der sexualpädagogischen Arbeit mit Jugendlichen merke ich aber oft, dass die Auseinandersetzung mit dem Körper nach wie vor schambehaftet ist. Jugendliche unterscheiden klar zwischen Nacktheit im digitalen Raum und Nacktheit im echten Leben.

  7. Welches neue Bild von Sexualität prägen Social Media?
    Karin Mühlwasser: Es stellt sich die Frage: Prägen Social Media unser Bild von Sexualität oder greifen diese Plattformen lediglich die gesellschaftliche Entwicklungen in Bezug auf Freiheit, Verfügbarkeit, Leistung und Optimierung auf?
  8. Wie unterscheidet sich die Sexualität Jugendlicher heute von früher?

    Mona Fischer: Jugendliche sind heute durchschnittlich älter, wenn sie das erste Mal Geschlechtsverkehr haben, als noch vor 20 Jahren. Dass Jugendliche immer früher Sex haben, ist demnach ein Mythos.
  9. Wohin wird sich der Umgang mit Sexualität entwickeln?

    Karin Mühlwasser: Sexualität wird vermutlich im digitalen Raum zunehmend präsent sein. Oberflächlich betrachtet könnte der Umgang also noch enttabuisierter werden.

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