Look into My Life – Gedanken von Uschi Pöttler-Fellner 

© Susanne Spiel / www.susannespiel.com


Carl oder Karl? Club oder Klub? Und darf man in Zeiten wie diesen zur Leichtigkeit auffordern?


„Endlich Sommer. Ich spaziere mit meinem Mann durch die Stadt. Menschen sitzen und stehen in Gruppen in den Schanigärten, die Welt dreht sich weiter, auch wenn sie manchmal stillzustehen scheint. Yacht club lese ich auf einem Schild. Ein neues Lokal, ein neuer Club, was weiß ich, ein Hafen ist jedenfalls keiner in der Nähe. Schon komisch, denke ich, wie ein einzelner Buchstabe ein Wort gestalten und verändern kann. Ich meine das C bei CLUB. Wenn ich das C durch ein K ersetze, stünde da Yacht Klub. 

Das C verleiht dem Club eine gewisse Eleganz und Leichtigkeit, das K vermittelt Schwere, riecht nach abgestandenen Zigarren und speckigen, braunen Ledermöbeln. Ein einziger Buchstabe macht den Unterschied.

CARL oder KARL? Ohne die gewiss großartigen Karls dieser Welt beleidigen zu wollen: Carl mit C klingt lockerer als Karl. Carl ist vielleicht ein Visionär, ein Künstler, ein Architekt. Karl ist vermutlich bodenständig und hat Handschlagqualität. Karl würde ich bei einem Geschäftsabschluss eher vertrauen als Carl.  

Das Café an der Ecke lässt mich zumindest einen Wimpernschlag lang glauben, ich könnte mich jetzt auch in Saint-Tropez befinden. Und einen Cappuccino schlürfen. Den mag ich natürlich auch im Kaffeehaus, wo ich mich geborgen und sicher fühle. 

C klingt verlockend, K klingt stabil.

Ein einzelner Buchstabe, ein einzelnes Wort, ein einziger Moment kann alles verändern.

Und ja, eigentlich wollte ich an dieser Stelle eine flockig-leichte Sommer-Kolumne schreiben, ich wollte Sie mit zum Bikini-Shopping nehmen und Sie teilhaben lassen an meiner jährlich wiederkehrenden Ratlosigkeit: „Schwarz, bunt oder doch lieber schwarz? Bikini, Badeanzug, irgendwas dazwischen oder doch Bikini und halt ein Tuch drumrumwickeln (Was ja die blödeste Idee überhaupt ist, weil man den Bikini dann nicht sieht, was wiederum voll beabsichtigt ist. Sie verstehen.).

Das Attentat in Graz. Der Krieg in Nahost. Unser aller, üblicher Zugang zum Sommer ist verändert. Oder sagen wir so: Zumindest der Sommer in mir hat sich verändert, in wenigen Momenten, denn ich schreibe diese Zeilen ein paar Tage nach dem Amoklauf, der für so viele Menschen in unmittelbarer Nähe alles verändert hat. Die Welt dreht sich weiter, besonders im Mediengeschäft. Wo aus der banalen und doch individuell bedeutsamen Frage „Bikini oder Badeanzug?“ eine launige Seite entstehen kann. Wo der Grat zwischen Unterhaltung, Information und Überforderung so schmal ist.

C oder K mag unbedeutend klingen, aber ist nicht egal. Karl ist vielleicht ein Luftikus, der grüne Cocktails im Yachtclub schlürft, und Carl ein biederer … ja was? Schon wieder so ein Klischee.  

Darf man – so wie eine hinlänglich bekannte Ex-Baumeistergattin – am Abend des Attentates, als das Land im fassungslosen Schockzustand verharrte, seinen Geburtstag zelebrieren? Natürlich dürfte man, wenn man die Pietätlosigkeit des Postens in sozialen Medien auslässt und daraus keine öffentliche Sause macht.

Darf man dazu auffordern, den Sommer und die Leichtigkeit des Seins zu genießen?

Darf man, habe ich für mich beschlossen, allerdings mit Fußnote: Der 10. Juni hat mir (einmal mehr) bewusst gemacht, dass Graz überall und jederzeit sein kann. Dass der Moment zählt, weil sich immer alles ändern kann. Und wenn es mir persönlich gelingt, in diesem Sommer die klitzekleinsten Dinge wertzuschätzen, verdiene ich ein leises Chapeau. Oder  auch ein kräftiges Klatschen, mit K!“