Mit neuem Herz

Vor 40 Jahren wurde am AKH Wien erstmals ein Herz transplantiert. 2017 erhielt Karin Hotwagner hier ein Spenderherz, transplantiert vom Team um UNIV.-Prof. Dr. Andreas Zuckermann. Das Doppelinterview.

Die ist sportlich und fit. Und sie lebt seit 2017 mit einem Spenderherz. „Das war meine Rettung, sonst würde ich nicht mehr leben“, sagt Karin Hotwagner. Die 47-jährige Veterinärmedizinerin aus Oberösterreich erhielt ihr neues Herz am AKH Wien vom Team rund um Univ.-Prof. Dr. Andreas Zuckermann, der seit 1997 selbst rund 250 Herztransplantationen vorgenommen hat. Vor 40 Jahren wurde am AKH Wien erstmals ein Herz transplantiert. Mittlerweile zählt das Wiener Herztransplantationszentrum zu den besten der Welt. Mehr als 1.750 PatientInnen erhielten hier ein lebensrettendes Spenderherz – wie Karin Hotwagner. Mit Univ.-Prof. Dr. Andreas Zuckermann, Programmdirektor Herztransplantation an der Universitätsklinik für Herzchirurgie von MedUni Wien und AKH Wien, erzählt sie ihre Geschichte.

LEBENSQUALITÄT. Tierärztin Karin Hotwagner kann ihr Leben dank eines rettenden Spenderherzes wieder genießen. Ein halbes Jahr nach der Transplantation kehrte sie in ihren Job zurück.

look!: Frau Hotwagner, Sie haben 2017 ein Spenderherz erhalten. Warum war eine Transplantation nötig?

Hotwagner: Im September 2016 hatte ich im Kroatienurlaub beim Schwimmen plötzlich so starke Herzrhythmusstörungen, dass ich untergegangen bin. Zum Glück war mein Mann da, er zog mich aus dem Wasser. Zur Erstversorgung kam ich in Kroatien ins Krankenhaus, ich wurde defibrilliert (mittels Stromstößen wird die Rhythmusstörung beendet, Anm.) und schließlich mit dem Hubschrauber ins AKH Wien geflogen. Dort kam es immer wieder zu starken Rhythmusstörungen. Bereits zehn Tage nach den ersten Symptomen standen Experten des Herztransplantationsteams vor meinem Bett und sagten mir, dass ich ein neues Herz brauchen werde … Sie behielten recht: Sechs Monate nach dem ersten Auftreten der Rhythmusstörungen wurde ich transplantiert.

Zuckermann: Frau Hotwagner war nicht die klassische Transplantationspatientin, die mit einer Herzmuskelschwäche, die sich über Jahre aufbaut, zu uns kommt. Die Ursache für ihre Rhythmusstörungen war eine sehr seltene, sehr aggressive Erkrankung, die sich erst nach der Transplantation an ihrem Herz feststellen ließ.

Frau Hotwagner, wie sind Sie mit der Nachricht, dass Sie ein neues Herz brauchen, umgegangen?

Hotwagner: Ich bin Veterinärmedizinerin, ich habe schon bei den ersten Befunden, die ich gesehen habe, gesagt: Wenn ich ein Hund wäre, müsste man mich einschläfern (lacht).

Doch natürlich, zuerst war das ein Schock. Aber eine Transplantation war die einzige Rettung. Ich wurde durch die Herzrhythmusstörungen immer wieder ohnmächtig, ich hatte einen implantierten Defibrillator, der Stromstöße ausgelöst hat, ich hatte Durchblutungsstörungen im Gehirn – die Frage, ob ich die Transplantation will oder nicht, hat sich für mich nicht gestellt … ich habe zwei Kinder, ich wollte weiterleben. Also stand fest: Je früher ich ein neues Herz bekomme, desto besser.

Herr Professor Zuckermann, wie kommt man zu einem Spenderherz?

Zuckermann: Wir schicken alle Befunde des betreffenden Patienten und unsere Einschätzungen an Eurotransplant. Frau Hotwagner haben wir als hochdringlich eingestuft. Normalerweise dauert es ab der Einreichung bei Eurotransplant sechs bis neun Monate, bis Patientinnen oder Patienten ein neues Herz bekommen, bei Hochdringlichkeit ein paar Tage. Bei Eurotransplant entscheidet ein unabhängiges Komitee anhand von Zahlen, Daten und Fakten, ob eine Hochdringlichkeit vorliegt. Bei der Patientin Hotwagner war das Spenderherz nach vier Tagen da.

Frau Hotwagner, wie haben Sie die Tage vor der Transplantation erlebt?

Hotwagner: Ich hatte mit dem Leben abgeschlossen, ich habe nicht damit gerechnet, dass ich noch einmal nach Hause komme. Es kam immer öfter zu Herzrhythmusstörungen, der implantierte Defibrillator hat immer häufiger ausgelöst und Stromstöße durch meinen Körper gejagt. Ich war dabei auch oft bei Bewusstsein, das war sehr schmerzhaft … Deshalb war schließlich die Transplantation für mich kein negatives Szenario.

Zuckermann: Defibrillatoren im Körper des Patienten sind Lebensretter. Aber für die Patientinnen und Patienten ist die Situation trotz der Unterstützung unserer Psychologin extrem belastend, sie geht mit Schmerzen und Todesangst einher. Bei manchen löst der Defibrillator 20-mal pro Tag aus. Das muss man erst einmal psychisch durchstehen.

Die Transplantation war für mich kein negatives Szenario, denn ein neues Herz zu bekommen war die einzige Rettung.


-KARIN HOTWAGNER

Wer ist häufiger von einer Herztransplantation betroffen – Männer oder Frauen?

Zuckermann: 80 Prozent der Patienten sind Männer, 20Prozent sind Frauen, das Durchschnittsalter unserer Patientinnen und Patienten liegt bei 50. Transplantiert wird ab einem Säuglingsalter von 14 Tagen bis zu rund 70 Jahren. Generell ist eine Herztransplantation etwas Hochkomplexes: ein maximal invasiver chirurgischer Eingriff, der mehrere Stunden dauert und von einem eingespielten, erfahrenen multidisziplinären Team durchgeführt wird – u.a. sind Anästhesisten, Intensivmediziner, Transplant-Kardiologen, Kinderkardiologen, Psychologen, Gewebstypisierer und Immunologen beteiligt.

Frau Hotwagner, wie war die erste Zeit nach der Transplantation?

Hotwagner: Es war der beste Tag meines Lebens, als ich nach der Transplantation aufgewacht bin (lacht). Ich war dann noch einen Monat lang im AKH Wien. Als ich nahtlos zur einmonatigen Reha kam, konnte ich bereits bergauf gehen. Auf Anweisung der Ärzte bin ich erst nach einem halben Jahr in meinen Job als Tierärztin zurückgekehrt. Doch bereits nach der Reha habe ich begonnen, Sport zu machen. Ich war euphorisch, hatte einen extremen Tatendrang, ich wollte wieder leben.

Zuckermann: Wichtig sind die regelmäßigen Kontrollen. Im ersten Jahr nach der Transplantation kommen die Patienten monatlich in die Ambulanz, danach alle drei bis vier Monate.

Hotwagner: Da werden u. a. auch die Medikamente zur Immunsuppression (Unterdrückung der körpereigenen Abwehr, damit das fremde Herz nicht abgestoßen wird, Anm.), die ich ein Leben lang einnehmen muss, immer wieder angepasst. Derzeit nehme ich zehn Tabletten pro Tag.

NACHSORGE.

Karin Hotwagner im Gespräch mit Univ.-Prof. Dr. Andreas Zuckermann. Der Spitzenmediziner ist Programmdirektor Herztransplantation an der Uniklinik für Herzchirurgie von MedUni Wien und AKH Wien. Er hat bereits rund 250 Herztransplantationen durchgeführt.

Sie nehmen lebenslang Medikamente, müssen sich vor Infektionen mittels Desinfektionsmitteln bzw. Maske schützen. Belastet Sie das?

Hotwagner: Nein, das ist zwar eine Veränderung zu meinem früheren „gesunden“ Leben, als belastend empfand ich eher, dass durch Medienberichte wie „Spitzensportler mit einem fremden Herz“ großer Leistungsdruck entsteht. Es ist aber schon ein großer Erfolg, wenn man nach einer Transplantation aufstehen und heimgehen kann. Ich mache Sport, ich reite jeden Tag, ich habe auch wieder an Turnieren teilgenommen.

Zuckermann: Eine Aufgabe der Transplantation ist es, das Leben zu verlängern. Die andere, den Menschen die Lebensqualität zurückzugeben. Diese muss jeder Patient für sich selbst definieren. Der eine läuft wieder Marathon, der andere, ältere, will vielleicht nur wieder das Laub im Garten rechen.

Was sind die Hauptursachen für eine Transplantation?

Zuckermann: Rund 60 Prozent der Patienten haben eine Herzschwäche, die stetig fortschreitet. Rund 30 Prozent leiden an einer koronaren Herzerkrankung, die auch mit anderen Methoden behandelt werden kann, wie mit Stents und Bypassoperationen. Aber oft haben die Patienten das alles schon hinter sich, wenn sie zu uns kommen und die Erkrankung schreitet dennoch voran. Die restlichen 10 Prozent verteilen sich auf seltene Erkrankungen, wie etwa Frau Hotwagner eine hatte.

Frau Hotwagner, denken Sie oft daran, dass in Ihrer Brust ein fremdes Herz schlägt?

Hotwagner: Es fühlt sich nicht wie ein fremdes Herz an. Für mich ist dieses Herz jetzt mein eigenes, das ich geschenkt bekommen habe. Und dafür bin ich sehr dankbar.

Wie wird man OrganspenderIn?

Zuckermann: In Österreich ist jeder Mensch, der verstirbt, ein potenzieller Spender, auch wenn er ausländischer Staatsbürger ist – außer er hat sich zu Lebzeiten ins Widerspruchsregister eingetragen. (Infos: transplant.goeg.at)

Ein todkranker Mensch erhält ein neues Herz, vier Wochen später geht er nach Hause – das ist ein ganz besonderes Erfolgserlebnis.


-ANDREAS ZUCKERMANN

Herr Professor Zuckermann, Sie sind weltweit anerkannter Experte auf dem Gebiet der Herztransplantation. Was begeistert Sie an Ihrem Job besonders?

Zuckermann: Man hat einen todkranken Menschen, gibt ihm ein neues Herz und vier Wochen später geht er nach Hause – dieses wunderbare Erfolgserlebnis hat man in kaum einem anderen Bereich der Medizin. Es ist für mich auch nach 30 Jahren noch etwas ganz Besonderes.

40 Jahre HERZTRANSPLANTATION

AKH Wien & MedUni Wien. Im Mai 1984 wurde am AKH Wien erstmals ein Spenderherz transplantiert. Seither erhielten hier mehr als 1.750 PatientInnen ein neues Herz. Pro Jahr werden rund 50 Transplantationen durchgeführt. Transplantiert werden Säuglinge ab 14 Tagen bis zu Erwachsenen um die 70 Jahre. Im Lauf der Jahre ist die Überlebensquote auf 91 Prozent gestiegen. Einer der ersten Transplant-Patienten am AKH Wien lebt seit 40 Jahren mit einem Spenderherz, er ist heute 80 Jahre alt.

Beitragsbilder: © Sandra Oblak, privat