Der aus Film und Fernsehen beliebte Burgtheater-Star Maria Happel übernahm die künstlerische Leitung der Festspiele Reichenau und will vor allem die Jugend wieder ins Theater bringen.

Viel beschäftigt – und das ist noch untertrieben! Das Interview mit Maria Happen findet telefonisch in der knappen Mittagspause statt. Sie sitzt gerade an ihrem Schreibtisch im Max Reinhardt Seminar und bereitet sich auf die Dreharbeiten zu „SOKO Donau“ vor. Als neue künstlerische Leiterin der Festspiele Reichenau schlägt sie in vielerlei Hinsicht Brücken zwischen Alt und Neu. Neben Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ oder Carl Zuckmayers „Des Teufels General“ mit Stefan Jürgens in der Titelrolle steht auch Neil Simons Erfolgskomödie „Ein ungleiches Paar“ auf dem Programm.

EINGESPIELTES DUO. Maria Happel und Michael Maertens feiern ihre 30­jährige Freund­schaft und Zusammenarbeit mit einer höchst vergnüglichen literarischen Reise mit Texten von Arthur Schnitzler über Thomas Bernhard bis Loriot. Ein „Verhältnis“ hatten die beiden im echten Leben nie. © Philipp Horak

look!: Wie fühlen Sie sich als Intendantin?

Maria Happel: Ich bin künstlerische Leiterin, da gibt es einen Unterschied zur Intendanz. Und als künstlerische Leiterin fühle ich mich als Gastgeberin. Als Gastgeberin eines großen Theaterfestes.

Bei den Festspielen Reichenau standen Sie bereits auf der Bühne und führten auch Regie. Sie kennen sie also gut?

Ich habe hier seit Jahrzehnten über 200 Mal gespielt und inszeniert. Meine erste Rolle war das Lieschen in Raimunds „Rappelkopf “ mit Robert Meyer, der hat mich geholt. Das muss 1998/99 gewesen sein. Dann kam die erste Regie mit dem „Kirschgarten“.

Nach 33 Jahren haben sich Peter und Renate Loidolt von der künstlerischen Leitung zurückgezogen. Vor welchen Her­ausforderungen stehen Sie nun?

Wenn jemand sich nach so langer Zeit zurückzieht, dann entsteht immer eine Lücke. Die Herausforderung liegt im neuen Zusammenwirken aller Beteiligten. Aber Dinge verändern sich und eine Lücke ist immer zugleich Raum für Veränderungund das ist ja oft etwas Gutes, wenn alle dafür arbeiten.

Was sind Ihre Pläne? Wird alles neu?

Wenn man für den Kurs eines Schiffes verantwortlich ist, das seit Jahrzehnten erfolgreich auf Fahrt ist, dann kann man nicht plötzlich eine Wendung machen und umdrehen! Da würde das Schiff kentern. Man muss langsam den Kurs verändern. Die Festspiele Reichenau haben eine Tradition. Diese Tradition wird weiterhin klar zu erkennen sein. Aber ich möchte auch eine deutlich spürbare Brücke in die Zukunft des Theaters einbringen. Das ist für mich, auch als Leiterin des Max Reinhardt Seminars, eine logische Verantwortung. Vor allem durch das Engagement junger schauspielerischer Nachwuchstalente. Mit unseren Jugendtickets möchten wir auch junge Leute für und im Theater begeistern.

Was haben die Festspiele Reichenau, was andere Sommer­theater nicht haben?

Reichenau war im Sommer wie ein großes Klassentreffen. Das soll so bleiben. Für das Publikum wie für die Mitwirkenden ein freudiges Theaterfest zu schaffen, das wäre mein Anspruch.

BELIEBTER TV-STAR. Seit 10 Jahren schlüpft Happel in die Rolle der Gerichtsmedizinerin bei „SOKO Donau“. 

© APA picturedesk.com

AUF DER BÜHNE. Tochter Paula Nocker (Nina) und Nils Arztmann (Konstantin) in Tschechows „Die Möwe“ eröffnen die Festspiele.

© Lalo Jodlbauer

Was bedeutet Reichenau für Sie persönlich?

Wir haben viele Sommer mit der Familie hier verbracht. Die Kinder von uns Schauspielern sind seither miteinander befreundet. Wir hatten das Gefühl, in den Ferien zu sein, und abends haben wir gearbeitet. Es war alles anders als im Theaterleben in der Stadt. Meine Verbindung zu Reichenau ist intensiv und mit vielen positiven Gefühlen verbunden.

Sie sind beim Publikum sehr beliebt. Plagen Sie manchmal Selbstzweifel?

Natürlich, das wäre nicht normal, wenn es nicht so wäre.

Gibt es bestimmte Situationen, wo Sie sagen: „Davor habe ich am meisten Angst“?

Ich wollte einem Buch einmal den Titel geben „Nur wer Angst hat, kann auch mutig sein“, die Kunst besteht darin, die Angst nicht zu zeigen.

Sind Sie Perfektionistin?

Das kommt von meiner Kindheit vom Klavier üben. Aber nicht in allen Bereichen, wenn Sie meine Wohnung sehen würden – ich habe eine schlampige Ordnung.

Wann haben Sie Spaß?

Da gibt es unendlich viele Situationen, ich bin von Grund auf ein optimistischer Mensch und kann mich wahnsinnig freuen an kleinen Dingen, wenn die Studierenden engagiert werden, kleine Zeichen von Aufmerksamkeit von meinemMann, das reicht mir, wenn ich mal einknicke, um mich wiederaufzurichten. Ich habe so viele tolle, wunderbare Elfen um mich – es ist auch ein großes Glück, das zu erkennen.

Wann werden Sie wirklich unbequem?

Das dauert sehr, sehr lange, aber ich kann keine Ungerechtigkeit leiden und wenn ich unbequem werde, ist es nicht schön. Das möchte man nicht erleben.

Haben Sie auch einmal Zeit, einfach einmal nichts zu tun?

Ich habe so eine kleine Badestelle an der Alten Donau, die mich wahnsinnig beruhigt, wenn ich aufs Wasser gucke. Die Zeit muss man sich wirklich freischaufeln, aber ich habe Rückzugsgebiete. Das ist die Alte Donau, das ist mein Klavier. Wenn ich Klavier spiele, tue ich auch etwas, aber für mich ist das trotzdem Wellness für die Seele.

Wie reagieren Sie, wenn Sie unter Zeitdruck stehen?

Durch das Orgelspiel habe ich schon sehrfrüh als Kind gelernt, Dinge gleichzeitig zu tun. Ich habe dann auch das Geschichtsbuch aufgeschlagen gehabt und während meiner Fingerübung Geschichte gelernt. Das heißt, ich kann mehrere Dinge gleichzeitig tun.

Wie möchten Sie von anderen wahrgenom­men werden?

Ich habe als Schauspielerin das Glück, dass ich so viel anders wahrgenommen werden kann, als ich selber bin. Ich kann immer alles sein und das ist natürlich ganz toll. Wie ich persönlich wahrgenommen werde, wissen nur die Menschen, die mich wirklich gut kennen. Sie wissen,wie jeder Clown, der sich die rote Nase abzieht, dass da drunter auch eine ganz andere Sache steckt.

Gibt es Menschen, die Sie bewundern?

Da gibt es viele! Ich bewundere z.B. alle Menschen, die im medizinischen Bereich tätig sind, wo es um Leben und Tod geht. Meine wunderbare Kollegin Kirsten Dene hat immer gesagt: „Wir operieren nicht am offenen Herzen.“ Oder mein Mann sagt oft: „Ach Mariechen, es ist ja nur Theater.“

Sie leben jetzt schon lange in Wien. Hätten Sie Lust, auch einmal noch woandershin zu gehen?

Ich wüsste nicht wohin, ich bin hier zu Hause. Der Bürgermeister hat mir zu meinem letzten Geburtstag einen Brief geschickt und mich zu einer Wienerin der Herzen ernannt.


INFO

Die Festspiele Reichenau sind ein niederöster­ reichisches Theaterfestival, eingebettet in die traditionsreiche Sommerfrischeregion an der Rax. Von 2. Juli bis 6. August 2022 sind mehr als 100 Vorstellungen im Großen Saal und im Neuen Spielraum vorgesehen, darunter vier Eigen­ produktionen und vier neue Formate. Durch das Engagement renommierter Regisseure, Schau­ spielerinnen und Schauspieler sowie die Auswahl der Stücke wird einerseits an die Tradition ange­ knüpft, andererseits blickt man mit herausragenden jungen Schauspieltalenten und neuen Angeboten für junges Publikum auch in Richtung Zukunft. theaterreichenau.at

Beitragsbild: © Jeanne Degraa