Manuel Rubey ist einer der top Schauspieler Österreichs. Im August gibt‘s einen neuen Kinofilm und ein Buch, Ende Juli einen Bob-Dylan-Abend. Das Interview über Haltung, Idealismus und eigene Unzulänglichkeiten.
Falco hat er 2008 ein filmisches Denkmal gesetzt. Vielleicht, so meinen Kenner, wäre der privat gern so gewesen wie Manuel Rubey. Ein cooler Familienmensch, fernab von Drogenexzessen und malträtierenden Selbstzweifeln.
Von Falco hat er sich Rubey längst freigespielt. Der 41-Jährige ist einer der meistbeschäftigten Schauspieler Österreichs, mehr als 50 Filme hat er bislang gedreht. Ende August kommt ein weiteres Movie in die Kinos, am preisgekrönten Drehbuch hat er mitgeschrieben. „Waren einmal Revoluzzer“ ist gesellschaftskritisch, punktet aber auch mit stillen Pointen. Im Mittelpunkt stehen zwei Bobo-Paare, die ihr sorgenfreies Leben lieben. Doch dann retten sie mit einem Quantum an verbliebenem Revoluzzertum der sich verflüchtigenden Jugend einen russischen Studienfreund aus dessen Heimat. Pavel kommt mit Familie nach Wien – und die Paare an ihre Grenzen. Die Revolution geht ganz schnell in Pension, mit dem Idealismus ist es nicht mehr weit her …
Kritisch hinterfragend zeigt sich Rubey auch in seinem Buch, das ab 20. August erhältlich ist. In „Einmal noch schlafen, dann ist morgen“ geht‘s ums Reflektieren und Innehalten in einer Welt der Krisen und Zwänge: zu viel Arbeit, Freizeitstress, toxische Beziehungen und Seelenmüll.
Harmonisch fügt sich „Finding Dylan“ als dritter Rubey-Termin im Sommer ein. Ein Abend mit Musik und Texten des großen Bob Dylan mit Stefanie Reinsperger am 31. Juli im Thermalbad Vöslau.
look: Mit Film, Buch und Dylan-Abend widmen Sie sich komprimiert den essenziellen Themen des Lebens, Haltung, Idealismus und Reflexion. Ist der Zustand der Welt so schlecht, weil den meisten der Idealismus abhanden gekommen ist, etwas zum Besseren zu verändern?
Manuel Rubey: Es gibt viele, die unsere Probleme sehen und sich denken, da muss etwas getan werden. Aber letztlich sind wir – ich nehme mich da nicht aus – zu faul, um dagegen anzugehen. Wir bleiben lieber bequem sitzen und hätten gern, dass die anderen etwas tun.
Ich bin aber grundsätzlich dafür, die Schuld bei sich selbst zu suchen. Aufgabe der Kunst ist es, dazu anzuleiten. Im besten Fall erkennt sich jemand in einer Figur wieder, etwa im Film „Waren einmal Revoluzzer“.
Revoluzzertum bedingt Idealismus. Wie idealistisch sind Sie?
Das Kämpferische und der Idealismus gehen sicher im Lauf des Lebens ein bisschen verloren, weil wir in den Alltag verstrickt sind. Es geht ums Geldverdienen, um die Familie. Und im besten Fall erreichen wir eine gewisse Gelassenheit. Dennoch sollten wir ein bisschen Revoluzzertum und Idealismus der Jugend bewahren, dann wäre schon einiges gewonnen. Denn wenn‘s wichtig ist, muss man aufstehen.
Wogegen stehen Sie auf?
Gegen rechts. Dagegen stehe ich immer auf.
Im Film „Waren einmal Revoluzzer“ kommen die beiden Paare rasch an ihre Grenzen. Vom Idealismus der Jugend ist nicht viel übrig. Nachdem der „befreite“ Pavel mit seiner Frau nach Wien kommt, sehnen sie sich rasch nach ihrem Leben ohne Unannehmlichkeiten. Symptomatisch für Bobos – nur vom Gutsein reden?
Ja, natürlich geht‘s im Film ein bisschen darum. Mich beschäftigt das Bobo-sein auch privat, weil mir ja oft attestiert wird, ein Bobo (bourgeois und bohémien, Anm.) zu sein. Es stimmt schon, ich bewege mich auch ein bisschen in dieser Welt. Aber nicht alles, was Bobos zugeschrieben wird, ist schlecht: politische Haltung mit Hipness zu verbinden, gut verdienend, grün wählend, sozial engagiert. Natürlich kann man sagen, das ist eine Doppelmoral, da verliert man die Bodenhaftung, wenn man selbst eine chice, große Altbauwohnung und reichlich Geld hat. Da weiß man nicht mehr, was es heißt, in einer kleinen Gemeindewohnung zu leben mit 1.000 Euro im Monat. Ich glaube aber, dass ich diese Bodenhaftung nicht verloren habe – weil ich zu lange selbst wenig hatte. Und weil es in meinem Umfeld Menschen gibt, bei denen es ganz eng ist. Man muss sich halt auch selbst immer wieder hinterfragen, ob man noch Teil dieser anderen Realität ist.
Würden Sie eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen?
Da sind wir wieder bei dieser Doppelmoral. Wir (Rubey ist mit Architektin Stefanie Nolz verheiratet, Anm.) haben darüber nachgedacht, aber da kommt man dann recht schnell zur Überlegung, dass die Wohnung doch zu klein ist … da ertapp ich mich dann dabei, das sich sage: Na gut, wir spenden halt was … Der Schriftsteller Daniel Glattauer ist der einzige, den ich kenne, der sich da engagiert. Seine Familie hat tatsächlich drei Buben aufgenommen. Meine Hochachtung.
Waren Sie einmal ein Revoluzzer?
(Lacht) Na ja, so wie man halt Revoluzzer ist, wenn man in Österreich jung ist. Skater, Punk, Mod, ich hab Verschiedenes ausprobiert, das manche vielleicht provoziert hat. Heute weiß ich, dass das wahrscheinlich mit dem zu tun, was ich heute in meinem Beruf mache: in schlüpfe gern in andere Rollen und Kleider.
Welche Lehren haben Sie aus dem Corona-Lockdown gezogen?
Das Gute an Corona ist: Die Ausrede der Politik, dass irgendetwas nicht geht, funktioniert jetzt nicht mehr. Meine Töchter (Ronja, 14, und Luise, 9, Anm.) engagieren sich sehr für Fridays for Future. Bislang hieß es immer, die Klima-Forderungen seien naiv, das könne keine Gesellschaft schaffen. Seit dem Lockdown hat das keine Gültigkeit mehr. Innerhalb weniger Tage wurde ein Land komplett heruntergefahren. Das Gebot der Stunde ist, das im Kopf zu behalten: Es ist möglich auch für andere dringliche Anliegen – wie den Klimaschutz – mit drastischen Maßnahmen sehr schnell etwas zu ändern.
Haben Sie das Klimavolksbegehren unterschrieben?
Natürlich. Meine Töchter haben mir beigebracht wie wichtig dieses Engagement ist. Diese Generation ist uns einen Schritt voraus, sie hat die Dringlichkeit des Problems begriffen. Zwei Drittel der KlassenkollegInnen meiner Töchter sind Vegetarier, wegen des Tierleids, aber auch wegen des entstehenden CO2 bei der Massentierhaltung, das unseren Planeten zerstört.
Essen Sie Fleisch?
Ich denke zwar seit zehn Jahren darüber nach, kein Fleisch zu essen, aber ich tu‘s, weil ich zu sehr Genussmensch bin.
Klimakrise, Flüchtlingselend, Rechtspopulismus, Rassismus, #metoo, Umweltverschmutzung, Billigfleisch und unendliches Tierleid, Gier, schneller, höher, weiter – musste Corona kommen, weil es so nicht weitergehen konnte?
Im Sinne eines Stopps, einer Besinnung, eines Innehaltens – ja, absolut. Schauen wir, ob wir etwas daraus gelernt haben. Ich glaube es zwar nicht, aber ich hoffe es. Denn wenn man Kinder in die Welt setzt, verpflichtet man sich zum Optimismus. Das schlimmste wäre, den Kindern Hoffnungslosigkeit vorzuleben.
Die Perversion unserer Welt lässt sich am riesigen Schlachthof in Deutschland festmachen. Ein Mensch der mit Billigfleisch zum Milliardär wird, ist untragbar. Er verkörpert alles, was die Welt schlecht macht: männliche Allmacht, Brutalität und Gier. Und gerade in seinem „Billigfleischschlachthof“ wütet Corona … schon irgendwie symptomatisch.
Otto Schenk hat einmal gesagt „Wer immer in den Abgrund schaut, wer sich stets des Elends in der Welt bewusst ist, kann nicht glücklich sein“. Sind Sie glücklich?
Da halte ich es mit der großen Christine Nöstlinger: „Glück ist etwas für Augenblicke“. Abseits der Glücksmomente bin ich stellenweise zufrieden, weil ich gewisse Dinge in meinem Leben durchgesetzt habe: ich habe keinen Chef, ich kann einen Gang zurückschalten, damit ich mehr Zeit mit meiner Familie, mit meinen Kindern verbringen kann. Wenn man dem Leben dann noch mit Demut und Dankbarkeit begegnet, dann schafft man es, dass sich Zufriedenheit über einen längeren Zeitraum einstellt.
Stichwort Bob-Dylan-Abend in Bad Vöslau – was verbindet Sie mit Dylan? Sie gehören zu einer anderen Generation …
Ich bin mit Dylan aufgewachsen, mein Vater ist ein großer Fan. Und meine Beziehung zu Dylan wird mit den Jahren immer schöner. Dylan ist ja viel mehr als Protest. Dylan ist das, was Kunst im allerbesten Sinn sein kann: immer einen Schritt voraus. Dylan führt uns immer an der Nase herum. In seinen Texten und im Leben. Er war eine Woche lang nicht für die Nobelpreis-Jury erreichbar … mehr geht nicht (lacht).
Welcher Dylan-Song geht Ihnen besonders unter die Haut?
Das ändert sich. In der Momentaufnahme ist es Adeles „Make You Feel My Love“. Wer da nicht in die Knie geht, der hat kein Herz. Auch das neue Dylan-Album „Rough and Rowdy Ways“ ist großartig.
Wie würden Sie Leonard Cohen, David Bowie und Bob Dylan in einer ganz persönlichen Prioritätenliste reihen?
Bowie, Dylan, Cohen. Bowie ist für mich der allergrößte Hero, weil er die Genregrenzen immer aufgelöst hat, er ist ja der Anführer der Transgender-Bewegung. Er war immer seiner Zeit voraus. Bowie ist Schauspieler, Literat, Musiker, er lässt sich nicht einordnen. Bowie ist der King. Oder die Queen.
„DAS KÄMPFERISCHE UND DER IDEALISMUS WEICHEN MIT ZUNEHMENDEM ALTER DER GELASSENHEIT. ABER GEGEN RECHTS STEHE ICH IMMER AUF.“
Manuel Rubey
In Ihrem Lebenslauf steht u. a. der Punkt „Psychosoziales Zentrum Baden“. Was haben Sie dort gemacht?
(Lacht) Zivildienst. Ich habe dort mit psychisch gehandicapten Menschen gearbeitet, auch Theater gespielt. Das hat mich so fasziniert, dass ich kurz daran gedacht habe, meinen Schauspielwunsch ad acta zu legen und fast in dem Bereich geblieben wäre. Letztendlich war ich dann aber zu egoistisch und hab‘ die Schauspielerei gewählt.
Eine Beziehung ist aber geblieben. Ich liebe ja auch Art Brut, die Kunst psychisch gehandicapter Menschen, spontan gestaltete, kraftvolle, autodidaktische Kunst wie sie etwa in Gugging entsteht. Und da sind wir wieder bei David Bowie, der ja zweimal die Galerie Gugging und die Künstler besucht hat.
In ihrem Lebenslauf steht auch „Waldorfschüler“. Haben Sie dort gelernt, Ihren Namen zu tanzen?
Ja, aber ich kann‘s nicht mehr. Eurythmie war ja nur ein kleiner Teil … Ich steh‘ der Waldorfschule heute sehr ambivalent gegenüber. Vieles ist gut, vieles ist absurd, manches ist sogar reaktionär. Aber ich verstehe, warum mich meine Eltern in die Waldorfschule gegeben haben. Sie kamen beide aus strengkatholischen Familien und es gab damals nicht viele alternative Schulkonzepte.
Worauf sind Sie stolz?
Stolz ist ein Gefühl, das mir relativ fremd ist. Wenn ich auf etwas stolz bin, dann darauf, dass ich es geschafft habe, mit dem Rauchen aufzuhören. Ich habe 20 Jahre lang geraucht – „auf echt“ (lacht). Aufstehen, Zigarette anzünden. Wenn ich es geschafft hab, vor dem ersten Kaffee keine zu rauchen, hab ich das Gefühl gehabt, ich hab‘ eine Leistung erbracht.
Wie haben Sie das geschafft?
Ich hab‘s mit Hypnose versucht, mit Allen Carr, mit Meditation. Alles Fehlversuche. Und dann kam ich zu einem Psychiater und Therapeuten, der mich einer Gehirnwäsche unterzogen hat, der mir u. a. alles über den Suchtkurvenlauf erzählt hat. Jetzt rauch‘ ich seit sechs Jahren nicht mehr.
BUCH & FILM. Am 28. August startet „Waren einmal Revoluzzer“ (o.), am 20. August erscheint „Einmal noch schlafen, dann ist morgen“ (u., Molden Verlag, € 23,-). © beigestellt