Dr. SC. Büsra Bakar führt knapp 700 Menschen aus allen erdenklichen Kulturkreisen. Ihre Resilienzstrategien für Erfolg in einem sehr diversen Arbeitsfeld verrät die junge Personalchefin im Interview.
Wir werden noch viel von ihr hören: Die erst 27-jährige Dr. Sc. Büsra Bakar ist seit zwei Jahren Personalleiterin der ARCOTEL-
Hotels Österreich und Deutschland. Die Arbeits- und Organisationspsychologin leitet knapp 700 Mitarbeitende in 12 Häusern und diese stammen, wie im Tourismus üblich, aus sehr vielen Kulturkreisen. Genau darauf hat sich Bakar, selbst in Wien geboren und aufgewachsen, aber mit starker Verbindung zu Istanbul, spezialisiert. Ihre Erfahrungen und ihr Buch „Vom Culture Clash zur Culture Harmony – Resilienzstrategien für Unternehmen in einer multikulturellen Arbeitswelt“ haben uns neugierig gemacht.
look!: Ihr Buch „Vom Culture Clash zur Culture Harmony“ legt nahe, dass hier ein Weg zu gehen ist. Beginnen wir mit dem Anfang: Welche Schwierigkeiten treten in kulturell sehr divers zusammengesetzten Teams auf?
Dr. Sc. Büsra Bakar: Es sind die Gewohnheiten, die jede Kultur besitzt. Zum Beispiel, dass die Österreicher und die Deutschen sehr, sehr genau mit der Zeit sind. Man ist pünktlich. Kulturen z. B. vom Balkan oder aus Südländern sind es gewohnt, fünf bis zehn Minuten zu spät zu kommen. Da kann es in Meetings zum Clash kommen.
Spielen verschiedene Glaubenshaltungen und Religionen eine relevante Rolle innerhalb von Teams?
Natürlich! Religionen gehören zur Kultur. Ein Beispiel ist die Fastenzeit, in der manche Mitarbeiter 12 bis 13 Stunden fasten. Nichts trinken, nichts essen. Da kann die Leistung sinken, die Führungskraft erwartet aber Performance.
Etwas anderes, wo ich oft Probleme erlebt habe, ist die Sprachbarriere. Obwohl dieselbe Sprache gesprochen wird, entsteht kein gegenseitiges Verständnis – auch die Gestik und der Ton spielen eine Rolle.
Gibt es im Tourismus eine ,Firmensprache‘? Weicht man nicht auf Englisch aus?
Wir erwarten von unseren Mitarbeitern, dass sie Deutsch sprechen. Im Front-Office natürlich auch Englisch und andere Sprachen.
Kommen wir zu den Resilienzstrategien. Ein Teamleiter beklagt sich bei Ihnen als seiner Vorgesetzten, dass ein Mitarbeiter während der Fastenzeit nicht die nötige Leistung erbringt. Wie reagieren Sie?
In so einer Situation muss man die negativen Gedanken erkennen und in positive oder lösungsorientierte umwandeln.
Und wie machen Sie das?
Ich suche das Gespräch. Persönlich oder zumindest über Videotelefonie, damit wir einander sehen. Über Telefon oder Mail dürfen solche Dinge nicht kommuniziert werden, das kann in die falsche Richtung gehen.
Was vermitteln Sie bei so einem Gespräch?
Zuerst schaffe ich Verständnis für die Ausgangssituation: Der Mitarbeiter hat das Bedürfnis, zu fasten, es ist seine Religion. Das betrifft eben auch die Arbeit. Aber: Es ist nur ein Monat. Wichtig ist, dass der Teamleiter das gesamte Jahr reflektiert. Ich spreche mit ihm auch darüber, wie schwer es ist, überhaupt qualifiziertes Personal zu bekommen. Recruiting und Einschulung für eine Person kosten Tausende Euro. Ich erinnere den Teamleiter auch daran, wie viel Zeit er für eine Einschulung aufwenden muss und frage: ,Möchtest du dir das wieder antun?‘ Das ist ein bisschen manipulativ, aber im positiven Sinn.
„Akzeptanz fördern und leben! Den Fokus auf Chancen und Lösungen legen anstatt auf Probleme.“
DR. SC. BÜSRA BAKAR
Erleben Sie durch das Miteinander der verschiedenen kulturellen Prägungen Folgen für die Zusammenarbeit von Frauen und Männern in den Teams?
In der Hotellerie eher nicht. Mitarbeiter lassen sich ja von vornherein auf Kontakt mit Gästen ein. Und natürlich achten wir darauf, Mitarbeiter einzustellen, die hier Erfahrungen aus früheren Jobs mitbringen.
Als Basis Ihrer Strategie höre ich da heraus: Wähle deine Mitarbeiter so, dass sie miteinander harmonieren können.
So ist es! Das betrifft eben nicht nur die Berufserfahrung, sondern auch die Frage: Welchen kulturellen Hintergrund hat ein Bewerber? Wenn Menschen bereits in kultureller Vielfalt aufgewachsen sind, dann bringen sie die nötigen Basics mit.
Sie selbst sind in Wien geboren und zur Schule gegangen. Ein Teil von Ihnen ist, wie Sie sagen, auch in Istanbul zu Hause. Wie halten Sie es mit der Pünktlichkeit?
Fünf bis zehn Minuten zu spät bin ich fast immer. In meinem eigenen Kernteam empfinde ich es auch nicht als respektlos, wenn ein anderer zehn Minuten zu spät kommt. Aber es hängt stark von der Person ab. Wenn ich weiß, bei den Geschäftsführern ist das nicht akzeptabel, dann passe ich mich an und bin pünktlich. Das erwarte ich auch von Mitarbeitern: Wenn wir eine Veranstaltung haben, müssen alle pünktlich sein.
Wenn Sie anderen Ihre Strategie für Mitarbeiterführung in einem multikulturell zusammengesetzten Unternehmen mitgeben könnten: Wozu raten Sie?
Akzeptanz fördern und leben. Selbstreflexion und Achtsamkeit. Gezielt Problemlösungstechniken heranziehen, die Mitarbeiter abholen. Wir haben heuer mehr als 80 Angebote in unserem Schulungskatalog. Darunter ist auch ein Resilienz-workshop, zum Beispiel ,Wie gehe ich mit Stress um‘. Sehr wichtig ist es auch, Optimismus zu fördern. Den Fokus auf Chancen und Lösungen zu legen anstatt auf Probleme. Und eine kontinuierliche Feedback-Kultur, in der Dankbarkeit und Wertschätzung weitergegeben werden.

ERFAHRUNG.
Wie man richtig führt, wenn Teammitglieder aus diversen Kulturen stammen, beschreibt Dr. Sc. Büsra Bakar.